Beim Thema Ehrenamt gibt es neue Entwicklungen

Ein gewaltiges Potenzial

Ein neuer Mitarbeiter für das Sorgentelefon des Kinderschutzbundes? Hausaufgabenbetreuung für Migrantenkinder? Oder Frühjahrsputz in der Pfarrkirche? Wer sich in Deutschland ehrenamtlich engagieren will, hat eine reiche Auswahl.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Dabei ist ehrenamtliche Betätigung in Deutschland zuletzt noch gewachsen. Laut «Freiwilligensurvey 2005» des Bundesfamilienministeriums sind 36 Prozent oder 24 Millionen der Bundesbürger über 14 Jahre längerfristig ehrenamtlich tätig. Das sind zwei Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Spitzenreiter ist der Sport, es folgen die Bereiche Schule/Kindergarten, Religion/Kirche sowie Kultur und Musik. International liegt Deutschland damit im Mittelfeld. In Großbritannien sind 48 Prozent der erwachsenen Bevölkerung freiwillig engagiert, in den USA sogar 56 Prozent.

Die geschätzten 46 Millionen ehrenamtlichen Arbeitsstunden pro Woche entsprechen laut Bundesregierung einem geldwerten Vorteil von 17 Milliarden Euro. «Das ist ein gewaltiges Potenzial, das es zu fördern, pflegen und entwickeln gilt», sagt der Bundesbeauftragte Zivilengagement, Hans Fleisch. Dass sich die diesjährige Themenwoche der ARD ab Sonntag ausführlich mit dem Thema Ehrenamt befasst, dürfte ihm daher sehr recht sein.

Feststeht aber auch: Die Rahmenbedingungen ehrenamtlicher Arbeit verändern sich. Besonders die Jüngeren wollen sich nicht mehr in dem Ausmaß wie früher in verbindliche Vereinsstrukturen einbinden lassen. «Man wächst nicht mehr so automatisch in einen Verein oder eine Kirchengemeinde hinein», weiß Aloys Bushuven, früherer Sprecher des Verbundes der Caritas-Freiwilligen-Zentren in Deutschland.

Der Trend geht zum zeitlich eng begrenzten Engagement. Wie andere Organisationen und Kommunen hat der Deutsche Caritasverband darauf reagiert und im vergangenen Jahrzehnt 54 Freiwilligenzentren gegründet - Kontaktbörsen, wo Helfer vermittelt und beraten werden können. Auch die am Donnerstag beginnende 72-Stunden-Aktion des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) reagiert auf diese Entwicklung. Bei der wohl größten Jugend-Sozialaktion Deutschlands wollen rund 100.000 Jugendliche 2.500 soziale oder ökologische Projekte anpacken. Innerhalb von 72 Stunden, also bis Sonntagnachmittag, sind beispielsweise der Bau von Kinderspielplätzen oder Naturlehrpfaden sowie Aktionen in Altenheimen, Krankenhäusern oder Obdachloseneinrichtungen geplant.

Zugleich gibt es zunehmende Anstrengungen, auch ältere Leute mehr ins Ehrenamt einzubinden. Motor dazu soll das Programm «Freiwilligendienste aller Generationen» sein, das zum 1. Januar startete. Angesprochen werden Senioren, die sich mindestens sechs Monate für einen Dienst von 8 bis 20 Stunden pro Woche verpflichten wollen.

Die Generation über 60 stelle ein enormes Potenzial für die Gesellschaft dar, meint Ministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Allerdings ist das ehrenamtliche Engagement der Älteren laut Studien bislang geringer als bei jüngeren Altersgruppen. Zugleich gehen Experten davon aus, dass wegen des demografischen Wandels künftig ein Mehr an bürgerschaftlichem Engagement erforderlich ist. Mögliche Tätigkeitsfelder sieht von der Leyen in Kinderbetreuung, Pflege oder Jugendarbeit.

Neue Ansätze für freiwilliges Engagement bietet auch der Ende 2007 von der Bundesregierung ins Leben gerufene Freiwilligendienst «weltwärts». Das Programm fördert junge Erwachsene zwischen 18 und 28 Jahren, die in einem Partnerland an sozialen, kulturellen, landwirtschaftlichen oder Umweltschutzprojekten teilnehmen wollen. Laut Entwicklungsministerium waren im ersten Jahr über 2.100 Freiwillige in mehr als 60 Ländern tätig. Bis zu 10.000 Einsatzplätze pro Jahr sollen geschaffen werden. Die Bundesregierung verspricht sich davon auch ein wachsendes Bewusstsein der Jugend für entwicklungspolitische Fragen.