Bundespräsident ruft bei Staatsakt zu 60 Jahre Bundesrepublik zu weiteren Anstrengungen für Einheit auf

Köhler will mehr Gemeinsinn

Bundespräsident Horst Köhler ruft die Deutschen zu mehr Gemeinsinn und zu weiteren Anstrengungen für die Einheit des Landes auf. "Mit der Einheit ist es wie mit der Demokratie: Sie ist nie fertig. Sie muss gelebt, erprobt, im Alltag immer wieder neu erkundet und weiter vermittelt werden", sagte Köhler am Freitag in Berlin bei einem Staatsakt zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik.

Autor/in:
Nikolaus Sedelmeier
 (DR)

Die höhere Arbeitslosigkeit im Osten verpflichte alle zu weiteren Anstrengungen. "Wir dürfen nicht hinnehmen, dass die Teilung unseres Landes in der Arbeitslosenstatistik fortbesteht", warnte Köhler vor einer sozialen Spaltung der Republik.

Auch in der Debatte über die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit meldete sich der Bundespräsident zu Wort. Mit ihrer friedlichen Revolution hätten sich die Ostdeutschen im Herbst '89 von einer "menschenverachtenden Diktatur" befreit. Köhler fügte aber hinzu: "Freiheit fehlte. Fleiß, Kreativität und Anstrengung blieb. Die meisten in der DDR haben ihr Leben mit Anstand gemeistert."

Köhler forderte die Deutschen dazu auf, das Versprechen des Grundgesetzes zu erneuern. Sie hätten Deutschland auf der Grundlage von Freiheit und Menschenwürde wieder aufgebaut, eine Demokratie errichtet und ihr Land in die Familie der freien Völker zurückgeführt. "Das Grundgesetz und die Bundesrepublik werden in diesen Tagen 60 Jahre alt. Und vor 20 Jahren fiel die Mauer, und der Weg zur Wiedervereinigung war frei. Lassen Sie uns unseren Weg weiter gehen - als deutsche Patrioten, als gute Europäer, als Bürger der Einen Welt", sagte Köhler.

Die Bundesrepublik feiere nun Geburtstag in einer schwierigen Zeit. Die Arbeitslosigkeit werde steigen, ehe es wieder besser wird. Die Deutschen könnten aber ihre Freiheit nutzen, um die Wirtschaftskrise zu meistern, sagte der Bundespräsident und forderte eine "neue, ökologische, industrielle Revolution" und mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sieht Deutschland in Krisenzeiten mit dem Grundgesetz gut gerüstet. Die Entscheidungen im Parlament seien in relativ kurzer Zeit gefallen und bewiesen die Belastbarkeit des politischen Systems, sagte Lammert vor dem Staatsakt im RBB-"Inforadio". In der Wirtschaftskrise sei die Solidarität der Demokraten deutlich geworden, die es während der Weimarer Republik nicht gegeben habe.

Das Grundgesetz war vom Parlamentarischen Rat erarbeitet und am 23. Mai 1949 unterzeichnet worden. An dem Staatsakt im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt nahmen 1400 Spitzenvertreter aus Politik, Diplomatie, Religion, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft teil. Köhler, der am Samstag in der Bundesversammlung zur Wiederwahl steht, war der einzige Redner. SPD-Gegenkandidatin Gesine Schwan und der von der Linkspartei nominierte Peter Sodann saßen unter den Zuhörern.