Langjährig geduldete Flüchtlinge fürchten Ende des Bleiberechts

Die Angst vor dem Stichtag

"Wer 18 Jahre alt wird, ist dran", sagt Feiruz Kaymaz von "Jugendliche ohne Grenzen", einer Initiative junger Flüchtlinge. Während sich die Schulfreunde um Studien- und Ausbildungsplätze bewerben, wissen viele junge Asylsuchende heute schon, dass sie nichts dergleichen erwartet. Kein Studium, keine Arbeitserlaubnis, nur eine Duldung, um deren Verlängerung man regelmäßig bangen muss - denn immer droht das Damoklesschwert der Abschiebung. "Mit der Bleiberechtsregelung wurde uns nur für ein paar Monate der Mund geschlossen", urteilt Kaymaz.

Autor/in:
Annedore Beelte
 (DR)

Die Flüchtlingsproblematik steht nicht auf der Tagesordnung der Innenministerkonferenz, die zur Zeit in Bremerhaven tagt. Flüchtlingsorganisationen brachten ihre Forderungen bei einer Demonstration am Donnerstag vor der Großen Kirche in Bremerhaven zu Gehör. Die Innensenatoren Ehrhart Körting aus Berlin und Ulrich Mäurer aus Bremen (beide SPD) haben immerhin zugesichert, die Bleiberechtsregelung in Kamingesprächen auf den Tisch zu bringen.

Denn Ende des Jahres steht der Stichtag an, den die Innenminister und die Bundesregierung im Rahmen der Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete festgesetzt haben: Wer bisher nur eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe hatte, muss nachweisen, dass er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Ansonsten erlischt das Bleiberecht.

Etwa jeder zweite der Flüchtlinge, die unter die Regelung fallen, insgesamt rund 29.000 Menschen, leben in dieser Unsicherheit, rechnet Bernd Mesovic von der Menschenrechtsorganistion Pro Asyl vor. Nachdem die Regelung 2006 beschlossen wurde, waren viele Flüchtlinge voller Optimismus, berichtet Mohammed Jouni von "Jugendliche ohne Grenzen". Nach Jahren ohne Arbeitserlaubnis und mittelfristige Perspektive konnten sie Jobs annehmen oder sich selbstständig machen. "In der ersten Zeit lief es gut", weiß Jouni. Doch dann kam die Ernüchterung: Mit der Wirtschaftskrise haben viele ihre Jobs verloren oder mussten Unternehmen aufgeben.

Pro Asyl unterstützt die Forderung von Innensenator Körting: "Für ein Bleiberecht muss genügen, dass sich jemand nachweislich um Arbeit bemüht hat." Auch wenn man die Menschen wieder in die Unsicherheit der Duldung zurückfallen lässt: "Man wird sie nicht loswerden", ist Mesovic überzeugt.

Seit dem Beschluss der Innenminister 2006 sind schon wieder rund 100.000 Menschen nach Deutschland gekommen, die mit einer Duldung leben. Eine Stichtagsregelung, sagt Mesovic, könne nur fair sein, wenn sie vom Datum der individuellen Einreise abhängt. Einige Flüchtlingsgruppen, diagnostiziert Pro Asyl, sind derzeit besonders gefährdet. In Niedersachsen ist die erste Abschiebung eines Terrorverdächtigen in den Irak geplant. Auch in Großbritannien und Schweden sehen Menschenrechtler die Bereitschaft, in den Irak abzuschieben. "Ein solcher Pendelverkehr, einerseits Flüchtlinge aufzunehmen und zugleich andere abzuschieben, ist absurd", urteilt Mesovic.

Nach Beobachtungen von Pro Asyl stagniert die Aufnahme des vereinbarten Kontingents von 10.000 irakischen Flüchtlingen in der Europäischen Union derzeit. "Einige Länder scheinen auf Zeit zu spielen", vermutet Mesovic. Roma-Vereine appellieren zusammen mit den Menschenrechtlern an die Innenminister, ihre Landsleute nicht in den Kosovo abzuschieben. Dort erwartet sie ein Leben in Lagern, sichere Arbeitslosigkeit und eine faktisch rechtlose Position.

Roma-Flüchtlinge werden derzeit verstärkt zur "freiwilligen Ausreise" aufgefordert, beobachtet Pro Asyl. "Aber die Rückkehrprojekte bieten keine effektive Hilfe", sagt Mesovic. Was den Rückkehrern als Startkapital angeboten wird, nützt ihnen im Kosovo nichts: "Man kann sich in eine clanartig strukturierte Gesellschaft nicht einkaufen."