Sasa Stankofski wurde in der Bundesrepublik geboren, hat sein Leben lang hier gelebt, besitzt aber trotzdem keinen deutschen Pass, weil seine Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen. Wenn es nach dem Willen des Wiesbadeners geht, wird sich daran auch künftig nichts ändern. "Ich fühle mich nicht als Deutscher", sagt Stankofski, "sondern als Mazedonier".
Allen Aufrufen zu mehr Einbürgerungen zum Trotz wurden die Anforderungen an die Antragsteller zugleich mehrfach verschärft - zuletzt mit neuen schriftlichen Sprachprüfungen und einem Einbürgerungstest, bei dem Grundkenntnisse über Staat und Gesellschaft abgefragt werden. Die Möglichkeit, sich politisch zu engagieren oder der Schutz durch die deutschen Botschaften im Ausland seien dennoch gute Gründe für eine Einbürgerung, meint die rheinland-pfälzische Integrationsbeauftragte Maria Weber (FDP).
"Türkische Rentner wollen nicht als Ausländer in ihre Heimat reisen"
Doch wer nicht Bürger eines anderen EU-Staats ist, muss sich erst in seinem Heimatland ausbürgern lassen, um Deutscher zu werden. "Gerade für Menschen aus der Türkei ist das auch ein emotionales Problem", sagt Weber. "Türkische Rentner wollen nicht als Ausländer in ihre Heimat reisen." Andere Migranten schrecken vor den Kosten zurück, die eine Ausbürgerung verursacht. Konsulatsgebühren, Übersetzungen und Beglaubigungen summieren sich beispielsweise in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens schnell auf eine vierstellige Summe. Ausgebürgerten drohen in der alten Heimat zudem vielfach Nachteile beim Renten- und Erbrecht.
Viele seiner Landsleute würden auf eine Einbürgerung verzichten, weil sich im Alltag nichts ändere, meint Salim Özdemir, Vorsitzender des Mainzer Ausländerbeirats. "Sie erleben, wie ihre eingebürgerten Bekannten bei Behördenbesuchen oder Kontrollen weiter wie Ausländer behandelt werden", sagt er. "Das ist ziemlich demotivierend."
Auch hat ein einst zentraler Vorteil der deutschen Staatsbürgerschaft in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren. Bis in die 1990er Jahre hinein konnten Migranten wegen umständlicher Visavorschriften oft weder einen Wochenendausflug ans Schweizer Bodenseeufer unternehmen noch ihre Kinder auf eine Klassenfahrt nach Frankreich schicken. Inzwischen profitieren alle, die sich legal in Deutschland aufhalten, von den offenen Grenzen innerhalb Europas. Jeder kann von Portugal bis nach Estland fahren, ohne dabei auch nur einmal den Ausweis vorzuzeigen.
Starkes Interesse an der Einbürgerung
Der Wunsch nach der deutschen Staatsbürgerschaft sinkt vor allem bei Menschen, deren Familie einst als klassische Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind. "Viele Flüchtlinge zeigen dagegen ein starkes Interesse an der Einbürgerung", sagt Roland Grasshoff vom Mainzer Netzwerk Initiativausschuss für Migrationspolitik. Doch gerade dieser Personenkreis scheitere oft an den Voraussetzungen. Die Einbürgerungskandidaten fielen häufiger durch die verschärften Sprachtests oder könnten kein ausreichend hohes Einkommen nachweisen.
Der Ingenieur Ahmad Issajew (Name geändert) flüchtete vor über neun Jahren mit seiner Familie vor dem Tschetschenienkrieg nach Deutschland und landete schließlich im Süden von Rheinland-Pfalz. Der 56-Jährige wurde als Asylbewerber anerkennt, längst besitzt seine Familie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Doch Issajews Chancen auf Einbürgerung stehen schlecht. Der Mann, der früher in der Petrochemie tätig war, ist zuckerkrank und findet keine feste Arbeit. "Nachbarn, die auch aus Tschetschenien flüchten mussten, wohnen gleich hinter der Grenze in Frankreich", seufzt er. "Die hatten alle nach vier Jahren den Pass."
Immer weniger Ausländer wollen sich einbürgern lassen
Erfolglose Kampagnen?
Obwohl die Politik immer neue Einbürgerungskampagnen startet, geht die Zahl der Ausländer, die die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, immer weiter zurück. Im Jahr 2008 sank die Zahl der Neubürger auf bundesweit 94.000 und damit auf den niedrigsten Wert seit der Deutschen Einheit.

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