1962-1965: In Rom tagt das Zweite Vatikanische Konzil, das eine Öffnung der Kirche gegenüber der Welt vollzieht. Konservative Kreise stehen den Reformen ablehnend gegenüber. Auf Kritik stoßen unter anderem die ökumenischen Initiativen, die Erklärung zur Religionsfreiheit sowie Neuerungen in der Liturgie.
1968-1970: Aus Protest gegen den «modernistischen» Kurs der Kirche tritt der Konzilsteilnehmer und ehemalige Erzbischof von Dakar, Marcel Lefebvre, als Ordensoberer der «Väter vom Heiligen Geist» (Spiritaner) zurück. Im folgenden Jahr gründet er im schweizerischen Fribourg die «Confraternitas Pius X». Die Priesterbruderschaft wird am 1. November 1970 kirchlich anerkannt. In den Folgejahren tritt der antikonziliare Charakter des nach Econe im Kanton Wallis umgezogenen «Seminars des wahren Glaubens» offen zu Tage. Die Lefebvrianer werfen der römisch-katholischen Kirche vor, mit dem Konzil die Tradition der Kirche zerstört zu haben.
1975: Rom entzieht der Gemeinschaft die kirchenrechtliche Legitimation. Im Jahr darauf enthebt Papst Paul VI. Lefebvre seiner bischöflichen Rechte. Der suspendierte Erzbischof nimmt weiter Priesterweihen vor.
1984: Papst Johannes Paul II. gestattet unter bestimmten Bedingungen die Wiederverwendung der «tridentinischen» Messe und kommt den Lefebvrianern damit entgegen.
1988: Am 30. Juni weiht Lefebvre gegen päpstliches Verbot vier Priester seiner Bruderschaft zu Bischöfen. Dadurch zieht er sich und den Geweihten automatisch die Exkommunikation zu, mithin den Ausschluss aus der aktiven kirchlichen Gemeinschaft.
Die Lefebvrianer betrachten die Exkommunikation als unwirksam und sehen sich weiter als Mitglieder der römisch-katholischen Kirche. Der Papst gründet die Kommission «Ecclesia Dei» für den Dialog mit den Traditionalisten. In den Jahren danach werden mehrere traditionalistisch geprägte Gruppen wieder in die katholische Kirche integriert.
1991: Tod Lefebvres (25. März). Sein Nachfolger als Generaloberer der Priesterbruderschaft wird der von ihm geweihte Schweizer Bischof Bernard Fellay.
2000: Anfang August ziehen rund 5.000 Anhänger der Priesterbruderschaft unter der Führung Fellays durch die Heilige Pforte in den Petersdom ein. Dies ist unbestätigten Berichten zufolge mit dem Vatikan abgestimmt.
2005: Fellay begrüßt die Papstwahl des vormaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, als «Hoffnungsschimmer». Ende August empfängt Benedikt XVI. Fellay in Privataudienz. Bei dem Treffen zeigte sich laut Vatikan der «Wunsch, zu einer vollkommenen Gemeinschaft zu gelangen».
Juli 2007: Benedikt XVI. erlaubt in dem Erlass «Summorum pontificum», dass künftig in allen Bistümern Messen nach dem tridentinischen Ritus von 1962 gefeiert werden dürfen. Er benennt Vorgaben, um diese Feiern in die Einheit der Kirche und die Diözesen einzubinden. Für internationale Kritik sorgt eine damit auch wieder zugelassene Karfreitagsfürbitte, in der für die Bekehrung der Juden zu Christus gebetet wird. Auch eine im Februar 2008 vorgestellte erneuerte Fassung lässt diese Kritik nicht verstummen.
Juni 2008: Zum 20. Jahrestag der Exkommunikation Lefebvres lehnt die Priesterbruderschaft eine Aufforderung des Heiligen Stuhls zur theologischen und kirchenpolitischen Aussöhnung zunächst ab. Allerdings beantwortet sie das Schreiben fristgerecht und fordert zunächst eine Rücknahme der Exkommunikation.
15. Dezember 2008: In einem Schreiben an die Kommission «Ecclesia Dei» bittet Fellay im Namen der vier Bischöfe erneut um die Rücknahme der Exkommunikation. Er sichert die Anerkennung des päpstlichen Primats und die Annahme der Lehren des Papstes zu.
21. Januar 2009: Per Dekret der Bischofskongregation wird die Exkommunikation der vier von Lefebvre geweihten Bischöfe Bernard Fellay, Alfonso de Gallareta, Bernard Tissier de Mallerais und Richard Williamson aufgehoben.
24. Januar 2009: Der Vatikan teilt die Rücknahme der Exkommunikation förmlich mit. Fast zeitgleich wird ein schwedisches TV-Interview bekannt, in dem Williamson die Existenz von Gaskammern verneint und die Höhe der von den Nationalsozialisten ermordeten Juden auf 200.000 bis 300.000 beziffert. Trotz Aufforderung des Vatikan zieht Williamson seine Aussagen zum Holocaust nicht zurück.
10. März 2009: Benedikt XVI. unterzeichnet einen persönlichen Brief an alle Bischöfe der Weltkirche. Darin räumt er handwerkliche Fehler der Kurie in der Williamson-Affäre ein; zugleich bekräftigt er seine Absicht, die Piusbruderschaft wieder in die katholische Kirche einzugliedern.
3. Mai 2009: Fellay weiht im französischen Kloster Bellaigue einen jungen Schweizer zum Priester.
Juni 2009: Der Vatikan erklärt die geplanten Priesterweihen der Bruderschaft in einer Stellungnahme des Presseamtes für unerlaubt. Er verweist auf das Fehlen eines ordentlichen Status der Piusbruderschaft in der katholischen Kirche; die Weihen seien daher «nach wie vor als illegitim anzusehen». Bis Monatsende weihen die Bischöfe der Piusbrüder in Winona (Minnesota), im bayerischen Zaitzkofen und im schweizerischen Econe weitere 23 Männer zu Priestern.
8. Juli 2009: Benedikt XVI. bindet mit dem Motu proprio «Ecclesiae unitatem» die Kommission «Ecclesia Dei» eng an die Glaubenskongregation. Deren Präfekt, Kardinal William Levada, wird zugleich Leiter der Kommission. Damit werden die künftigen Gespräche mit der Piusbruderschaft von der disziplinarischen auf eine inhaltlich lehrmäßige Ebene gehoben. Die letzte Entscheidung über die Ergebnisse bleibt aber dem Papst vorbehalten.
Ein langer Konflikt um Liturgie und Lehre
Der Vatikan und die Traditionalisten
Mit einer Neuordnung der Zuständigkeiten hat Papst Benedikt XVI. am Mittwoch den Weg für künftige Gespräche mit der traditionalistischen Priesterbruderschaft Pius X. bereitet. Die Kontroverse zwischen Rom und den Piusbrüdern ist bereits mehrere Jahrzehnte alt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert die wichtigsten
Stationen.
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