Sprachengesetz entzweit Slowakei und Ungarn

"Linguistischer Unsinn"

Eigentlich wollten die Ministerpräsidenten der Slowakei und Ungarns, Robert Fico und Gordon Bajnai, im Juli einen Neuanfang zwischen beiden Ländern wagen. Das Verhältnis der beiden EU- und Nato-Nachbarn ist geschichtlich belastet. Neuer Streit verhinderte nun das Treffen. Schuld ist ein neues Sprachengesetz in der Slowakei, das die beiden Länder abermals entzweit.

Autor/in:
Hans-Jörg Schmidt
 (DR)

Der letzte Besuch eines slowakischen Premiers in Budapest liegt lange zurück. Er fand 2001 statt. Budapest beschwert sich, dass das Gesetz die mit zehn Prozent an der slowakischen Gesamtbevölkerung starke ungarische Minderheit benachteilige. Die ungarnstämmigen Slowaken sollen nämlich künftig nur dort ihre Muttersprache in öffentlichen Einrichtungen sprechen dürfen, wo mindestens 20 Prozent ethnische Ungarn leben. Wer diesen und anderen Vorschriften zuwider handelt, muss mit Geldbußen von bis zu 5.000 Euro rechnen.

Natürlich gilt das Gesetz, das der slowakischen Sprache unbedingten Vorrang einräumt, auch für die anderen Minderheiten in der Slowakei.
Nur die gebürtigen Tschechen sind davon ausgenommen, was wiederum die Ungarn nicht verstehen können. In der Slowakei leben 80.000 Tschechen, aber mehr als 500.000 Magyaren. In Bratislava hält man dagegen, dass man mit den Tschechen schließlich lange in einem gemeinsamen Staat gelebt hat - der Tschechoslowakei.

Trotzdem: Budapest sieht in dem neuen Gesetz, das am 1. September in Kraft treten soll, einen neuerlichen Angriff der "Nationalisten" in der slowakischen Regierung. Dabei ist das Gesetz gar nicht so neu. 1995 erließ die Regierung Vladimir Meciar auf Betreiben der offen ungarnfeindlichen Nationalpartei eine ähnliche Vorschrift. Sie hatten auch unter dem bürgerlichen Ministerpräsidenten Mikulas Dzurinda, der von 1998 bis 2006 Regierungschef war, Bestand. Lediglich die angedrohten Strafen wurden gestrichen. Diese sollen nun unter Fico, der mit der Nationalpartei koaliert, wieder eingeführt werden.

Aushöhlung der sprachlichen Rechte nationaler Minderheiten?
Zwar behauptet Bratislava, dass das Gesetz den Gebrauch der Minderheitensprache nicht einschränke. Aber daran zweifeln auch internationale Organisationen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie hält die Vorschrift zwar für grundsätzlich vereinbar mit den international üblichen Standards für den Minderheitenschutz, warnt aber: Die Regelung könne als indirektes Instrument zur Aushöhlung der sprachlichen Rechte nationaler Minderheiten missbraucht werden. Internationale Sprachwissenschaftler nennen das Gesetz gar "linguistischen Unsinn". Eine Sprache lasse sich nicht in der durch ein Kulturministerium vorgeschriebenen Form konservieren.

Bela Bugar, der Chef der neu gegründeten Partei Most-Hid, der Brücken zwischen den Slowaken und der ungarischen Minderheit bauen will und in beiden Volksgruppen beliebt ist, wirft der Regierung in Bratislava vor, mit dem Gesetz von den wirtschaftlichen Problemen ablenken zu wollen, die deutlich wichtiger seien. Bratislava trage seine Probleme mit Budapest auf dem Rücken der ungarischen Minderheit aus.

Westliche Diplomaten sehen das ähnlich: Die Slowakei wolle vor einer wahrscheinlichen Wahl des Nationalisten Viktor Orban zum künftigen ungarischen Ministerpräsidenten den Nachbarn einfach noch einmal ihre Grenzen aufzeigen, heißt es. Der Verständigung zwischen Slowaken und Ungarn sei das freilich nicht zuträglich.