Hilfswerke bewerten Frontex-Einsatz unterschiedlich

Kaum noch Migranten an Spaniens Küsten

Spanien verzeichnet einen bisher noch nie erlebten Rückgang an Flüchtlingsbooten. "Der erste August seit zehn Jahren ohne Flüchtlingsboote an den kanarischen Stränden", freuten sich die spanischen Zeitungen Ende August. Dann strandeten doch wieder zwei kleine Boote mit insgesamt 15 Armutsflüchtlingen aus dem Maghreb an der Küste Lanzarotes und Teneriffas. Einer davon war tot.

 (DR)

Noch 2006 kamen fast 40.000 Boote nur auf den Kanaren an. In diesem Jahr waren es in ganz Spanien weniger als 5.000. Die Wirtschaftskrise gilt als einer der Gründe, aber auch die Arbeit der EU-Grenzschutzagentur «Frontex».

«Frontex ist ein Lebensretter vor der westafrikanischen Küste», sagt Carlos Capataz. Er ist Chef der Nothilfe des spanischen Roten Kreuzes, das auf den Kanaren ankommende Flüchtlinge mit Decken und heißen Getränken versorgt, Kranke und Schwangere in Krankenhäuser bringt. Sie sind die Überlebenden einer gefährlichen Überfahrt, sagt Capataz. Nicht selten trieben diese Nussschalen steuerlos im Meer, sogar in Südamerika wurde ein Boot mit toten Migranten entdeckt, erzählt Capataz.

Frontex sucht mit Schiffen und Flugzeugen das Meer zwischen Westafrika und den Kanarischen Inseln nach Booten mit den Migranten ab, die illegal über die Kanaren nach Europa einwandern wollen und bringt sie zurück in den Senegal oder nach Mauretanien, wo sie in See stachen.

Gleichzeitig setzte die spanische Regierung jedoch schon 2004 ein Einwanderungsprogramm in Gang, das sich nicht auf die Abschottung beschränkt. Von einer Politik auf vier Säulen war die Rede, zu denen neben der Bekämpfung der illegalen Einwanderung auch die Öffnung für die legale Einwanderung, ein umfangreiches Integrationsprogramm, für das bis nächstes Jahr noch zwei Milliarden Euro veranschlagt sind, sowie die Bekämpfung der Armut in den Herkunftsländern der Flüchtlinge mit einer deutlichen Erhöhung der Entwicklungshilfe.

Mit dieser Politik wurde auch Spaniens Drängen in vielen westafrikanischen Staaten auf Rücknahmeabkommen von illegal eingewanderten Flüchtlingen glaubwürdiger, sagt Capataz. Spanien konnte so in nur wenigen Jahren Rücknahmeabkommen mit mehreren afrikanischen Staaten abschließen, zum Beispiel Senegal, Mauretanien oder Mali.

Allerdings gewährleiste Frontex nicht das Asylrecht der Migranten, kritisiert Carlos Abad, Sprecher des spanischen Flüchtlingshilfswerk Cear. Die Flüchtlinge würden einfach nur nach Afrika zurückgebracht. Ob ihnen in ihrer Heimat Verfolgung drohe, werde nicht überprüft, sagt er. Er erinnert daran, dass das UN-Flüchtlingshilfswerk ursprünglich an den Frontex-Einsätzen beteiligt werden sollte, heute aber kein Vertreter des UNHCR mit an Bord ist.

Zudem habe Spanien im Zuge der Wirtschaftskrise mit einer Massenarbeitslosigkeit von 18 Prozent die Anwerbung legaler Einwanderer inzwischen fast eingestellt. Dennoch ist das spanische Ausländerrecht trotz einiger geplanter Verschärfungen bei der Familienzusammenführung eines der liberaleren in Europa, sagt Cear-Sprecher Abad. Migranten ohne Papiere könnten maximal 60 Tage festgehalten werden. Ein Strafverfahren wie in Italien drohe ihnen nicht.

Viel wichtiger als die Frage der Grenzüberwachung ist für Carlos Capataz vom Roten Kreuz das Armutsproblem. So lange die Kluft zwischen Afrika und Europa so enorm sei, würden Afrikaner auch nach Europa gehen, über die Kanarischen Inseln, die andalusische Küste, Italien oder Griechenland. Zudem benötige Europa Migranten, vor allem in den sozialen Diensten. Viele Spanier klagten über die vielen Ausländer, hätten zu Hause aber längst eine Haushaltshilfe aus Afrika oder Lateinamerika, sagt er.