Lateinamerikas Kirche besorgt über Verfassungsänderungen

Der Traum von der ewigen Macht

Lateinamerika bewegt sich auf eine Epoche jahrzehntelang fest zementierter Machtverhältnisse zu. Ob linksgerichtete Staats- und Regierungschefs wie Hugo Chavez in Venezuela, Daniel Ortega in Nicaragua oder konservative Staatspräsidenten wie Alvaro Uribe in Kolumbien - das Virus der Verfassungsänderungen greift um sich. In der Regel gegen den Widerstand der Kirche.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Das Ziel der massiven Eingriffe in die Grundlagen der Demokratien ist über alle politischen Grenzen hinweg identisch: Die Machthaber wollen das durch die Verfassungen festgelegte Ende ihrer Amtszeiten nicht akzeptieren und schneidern sich Grundgesetze nach Maß. Auch in Honduras wollte Manuel Zelaya nach diesem bewährten Muster vorgehen: Doch Parlament und Justiz sagten Nein zum Vorstoß des Präsidenten, dessen Amtszeit ansonsten am 29. November faktisch zu Ende gegangenen wäre. Zelaya wagte die Machtprobe mit den Institutionen.

Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt: Auch seine Gegner - übrigens aus der eigenen Partei - scherten sich ebenso wenig um die Verfassung und verfrachten den ungeliebten Staatschef mit militärischer Gewalt außer Landes.

Der in Nicaragua wirkende deutschstämmige Bischof Bernardo Hombach Lütkermeier von Granada kritisierte jüngst den in fast allen lateinamerikanischen Ländern existierenden Trend zu
Verfassungsänderungen: «Lange Präsidentschaften haben den Nationen nie gut getan, der Wechsel war stets die bessere Lösung. Es ist ein großer Widerspruch, weil wir einerseits das Zeitalter der Monarchien verlassen haben, und nun kehren wir wieder zurück.»

Die Liste der Länder, in denen in jüngster Vergangenheit Hand an die Verfassungen gelegt wurde oder noch gelegt werden soll, ist lang: Kolumbien, Ecuador, Venezuela, Bolivien und Nicaragua. Fast überall steht die katholische Kirche dem Ansinnen kritisch gegenüber, unabhängig davon, welchem Lager der jeweilige Staatschef angehört. In Kolumbien rieten die Bischöfe Präsident Uribe aus Sorge um die Demokratie öffentlich ab, eine dritte Kandidatur anzustreben. Sollte es tatsächlich zu einem Referendum um eine Verfassungsänderung kommen, will die Kirche zumindest ein wachsames Auge darauf werfen:
«Ein solches Referendum muss mit einem Gesetz abgesichert sein», erklärte der Generalsekretär der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Weihbischof Juan Vicente Cordoba Villota. «Wenn es keine Transparenz gibt, gibt es kein Referendum», so der Jesuit.

Die Ängste vor zementierten Machtverhältnissen, die über Jahrzehnte andauern, sind auch historisch begründet: Da ist einerseits die tief verwurzelte Furcht vor einer Wiederkehr von Militärdiktaturen, die Lateinamerika im gerade erst vergangenen Jahrhundert hinter ließ sich. Und es gibt ein weiteres geschichtlich begründetes Unbehagen: In diesem Jahr feiern die ersten lateinamerikanischen Länder das sogenannte «Bicentenario» - zwei Jahrhunderte Unabhängigkeit von der spanischen Krone.

In Venezuela haben die Bischöfe den vermeintlichen Kampf um die Demokratie und gegen eine Präsidentschaft auf Lebenszeit offenbar schon verloren. Nachdem es Staatschef Chavez vor zwei Jahren schon einmal mit einem Verfassungsreferendum versuchte und scheiterte, gelang es dem selbsternannten Führer eines «Sozialismus des 21. Jahrhunderts» vor ein paar Monaten, im zweiten Anlauf dann doch eine Mehrheit zu organisieren. Die venezolanische Kirche hatte sich zuvor klar positioniert: «Das Volk ist 2007 in einem Referendum befragt worden und hat seine Ablehnung bereits zum Ausdruck gebracht» , protestierten die Bischöfe.

Doch nun wird Ende des Jahres erneut gewählt, und der Kirche bleibt nur noch der wirkungslose Appell an Chavez, «für den Frieden im Lande» auf eine erneute Kandidatur zu verzichten. Der Präsident hat andere Pläne, ihm schwebt das kubanische Modell vor. Und dort regiert die Partei der Brüder Fidel und Raul Castro jetzt schon über ein halbes Jahrhundert.