Jesuit Becker nimmt an Gesprächen mit Piusbrüdern teil

"Authentischer Lehrer"

Bei den theologischen Gesprächen mit der traditionalistischen Piusbruderschaft sitzt für den Vatikan auch ein Deutscher am Verhandlungstisch: Der Jesuit Karl Josef Becker. Als einer von insgesamt drei Theologen wurde der 81 Jahre alte Kölner im September in die Expertengruppe unter Leitung von Guido Pozzo, dem Sekretär der päpstlichen Kommission "Ecclesia Dei" und Erzbischof Luis Ladaria Ferrer, dem Sekretär der Glaubenskongregation, berufen.

Autor/in:
Thomas Jansen
 (DR)

Der emeritierte Dogmatikprofessor der römischen Universität Gregoriana erfreut sich der besonderen Wertschätzung Papst Benedikt XVI. Wer daran nach Beckers Berufung zum Berater der Glaubenskongregation 1986 noch zweifelte, wurde spätestens 2003
überzeugt: Zum 75. Geburtstag erwies der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, dem Jesuiten die seltene Ehre einer Festrede. Darin würdigte der heutige Papst seinen Landsmann als «authentischen Lehrer».

«Authentisch» ist auch der singende Tonfall geblieben, den sich der Rheinländer Becker über die Jahrzehnte hinweg in Rom bewahrt hat. Seine kräftige Stimme klingt fast jugendlich. Doch außerhalb der Universität ist sie selten zu vernehmen: Öffentliche Auftritte meidet der hochgewachsene Jesuit, Anfragen der Presse weist er höflich zurück.

Aufsehen erregte Becker zuletzt im Dezember 2005 mit einem ausführlichen theologischen Beitrag für den «Osservatore Romano». Dieser beschäftigte sich mit einem Thema, das auch in den Verhandlungen mit den Piusbrüdern eine bedeutende Rolle spielen dürfte: Dem Verhältnis der katholischen Kirche zu nichtkatholischen christlichen Glaubensgemeinschaften - der Ökumene. Der Jesuit wandte sich gegen die Ansicht, das Zweite Vatikanische Konzil habe nichtkatholische christliche Gemeinschaften grundlegend aufgewertet und ihnen unmittelbar die Qualität einer Kirche zugebilligt.

Ausgangspunkt ist eine ebenso berühmte wie in ihrer Interpretation strittige Aussage des Konzilsdokumentes über die Kirche. In der dogmatischen Konstitution «Lumen gentium» (Licht der Völker) heißt es, die einzige Kirche Jesu Christi «ist in der katholischen Kirche verwirklicht» (lateinisch: subsistit). Im Entwurf war ursprünglich die traditionelle Formulierung, die Kirche Jesu Christi «ist (est) die katholische Kirche», vorgesehen.

Die meisten Interpreten des Konzils deuten diese veränderte Wortwahl als eine bewusste Aufwertung nichtkatholischer christlicher Glaubensgemeinschaften durch die Konzilsväter. Becker hingegen kommt zu dem Ergebnis, dass die Kirche Jesu Christi auch für das Zweite Vatikanische Konzil ausschließlich die katholische Kirche bleibe. Von kirchlichen Elementen in nichtkatholischen christlichen Gemeinschaften kann nach seiner Ansicht im Sinne der Konzilsväter allenfalls auf einer übertragenen Ebene die Rede sein, sofern diese «zur Einheit der Christen in der einzigen Kirche (Anm. d. Verf.: der katholischen Kirche) hindrängen».

Beckers Lesart des Konzils blieb nicht unwidersprochen. Der amerikanische Theologe Francis Sullivan, Ordensbruder und langjähriger Kollege des Deutschen an der Universität Gregoriana, bestritt dessen Interpretation. Sullivan, Doktorvater des Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, legte dar, dass die Konzilsväter mit ihrer Wortwahl ganz bewusst eine erhöhte Wertschätzung nichtkatholischer christlicher Gemeinschaften zum Ausdruck bringen wollten.

Levada selbst wiederum veröffentlichte im Juni 2007 eine Stellungnahme der Glaubenskongregation zur Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dieses hat demnach mit der von Becker interpretierten Aussage kein neues Kirchenverständnis hervorgebracht, sondern nur das traditionelle vertieft und erweitert.

Namhafte deutsche Theologen, wie der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, sehen im Gegensatz zu Becker durchaus eine bedeutsame sachliche Akzentverschiebung im Urteil des Konzils über nichtkatholische christliche Gemeinschaften. Im Eröffnungsreferat der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im September 2007 sprach Lehmann jedenfalls mit Blick auf die Wortwahl «subsistit» von einem «neuen Schritt», den das Konzil «mit dieser Entscheidung gewagt» habe.