Margot Käßmann ist das neue Gesicht des Protestantismus

Fröhlich, geduldig, beharrlich

Für manche konservativen Christen ist das neue Gesicht des Protestantismus noch gewöhnungsbedürftig: Frau, geschieden, Bischöfin. Die Hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann weiß dies sehr wohl, und sie trat in den Wochen vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und zu Beginn der Tagung des Kirchenparlaments in Ulm zurückhaltender auf, als es ihrer Art entspricht.

 (DR)

Dann eine beherzte und wohldurchdachte Kurzpräsentation vor dem Plenum und ein glänzender Erfolg im ersten Wahlgang zum Rat der EKD: Als einzige Kandidatin übersprang Käßmann auf Anhieb mit
103 von 144 Stimmen die Zweidrittel-Hürde. Jubelnder Beifall zeigte die Erleichterung im Saal - die Wahl zur Vorsitzenden war ihr damit praktisch nicht mehr zu nehmen.

Die 51-Jährige hat ein Ziel erreicht, das sie bereits vor sechs Jahren anstrebte, als sie noch gegen Wolfgang Huber unterlag.
Bereits in dieser Zeit war sie die einzige unter den evangelischen Kirchenoberhäuptern, die es an Popularität und Präsenz in den Medien mit dem allgegenwärtigen Huber aufnehmen konnte. Während dieser mit seiner intellektuellen Brillanz oft eher die Köpfe als die Herzen der Protestanten ansprach, repräsentierte Käßmann ein «weicheres» Kirchenbild, ohne deswegen auf die sogenannten «weichen» politischen Themen beschränkt zu sein.

Was den Kurs der evangelischen Kirche in Deutschland anbelangt, steht sie für Kontinuität - sowohl im Blick auf den laufenden Reformprozess als auch bei der gesellschaftspolitischen Positionierung. Geprägt ist Käßmann wie ihr Amtsvorgänger von der Arbeit des Deutschen Evangelischen Kirchentags, dessen Generalsekretärin sie war. Zuvor war die aus Marburg stammende Theologin, die bei Konrad Raiser über das Thema «Armut und Reichtum als Anfrage an die Einheit der Kirche» promovierte, unter anderem Gemeindepfarrerin in Kurhessen-Waldeck und Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst.

Eine «persönlich und theologisch ungeheure Horizonterweiterung» verdankt sie nach eigenem Bekunden der Mitarbeit im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) von 1983 bis 2002 und dem Engagement für den «Konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung». Das theologisch-ökumenische Gespräch sei ihr sehr wichtig, sagte sie bei ihrer Vorstellung in Ulm: «Evangelisches Profil und vertrauensvolles ökumenisches Miteinander sind für mich keine Gegensätze.» Dazu gehöre jedoch auch, die Unterschiede zu benennen - etwa dass in der evangelischen Kirche
Haupt- und Ehrenamtliche, Ordinierte und Nichtordinierte gemeinsam die Kirche leiteten und dass Frauen alle kirchlichen Ämter wahrnehmen könnten.

Käßmann verließ den ÖRK-Zentralausschuss, weil die orthodoxen Kirchen Änderungen für die Zusammenarbeit der Mitgliedskirchen durchgesetzt hatten. Dies sei «eine Frage der eigenen Glaubwürdigkeit», erklärte sie damals: «Ich kann nicht akzeptieren, dass ich als Bischöfin von orthodoxen Bischöfen als Problem und letztlich als Häretikerin angesehen werde.» Der Preis für den Frieden sei dann «zu hoch».

Welche Akzente sie in ihrer Arbeit als Ratsvorsitzende setzen wird, deutete sie in ihrer Bewerbungsrede an: Die Gemeinden müssten im Rahmen des Reformprozesses deutlich gestärkt werden und die «missionarische Herausforderung» annehmen: «Wir müssen im Menschen die Sehnsucht nach dem Glauben wecken.» Dabei wolle sie «vernetzt» und «mit Teamgeist» arbeiten, was als Andeutung eines neuen Stils verstanden werden kann. Zu ihrer persönlichen Spiritualität zitierte sie ein Wort des Apostels Paulus: «Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Trübsal, beharrlich im Gebet.»