Jubiläumssendung der "37 Grad"-Reihe über Messies

Körperwarm und authentisch

"37 Grad" wird 15 Jahre alt. Unter dieser griffigen Kurzformel hat die preisgekrönte ZDF-Reihe in insgesamt 628 Filmen das Menschsein mit all seinen Facetten erzählt. Im Jubiläumsfilm geht es um Menschen, die nichts wegwerfen können.

Autor/in:
Heide-Marie Göbbel
 (DR)

Die Autorin porträtiert drei von etwa zwei Millionen Deutschen mit dem Messie-Syndrom. Georg, ein junger Versicherungsmakler, delegiert das Problem gern an eine professionelle Ordnungshelferin. Chris, gelernte Heilerziehungspflegerin, überlegt, ob eine Psychotherapie helfen würde. Und Eva, Künstlerin und ehemalige Bibliothekarin, setzt auf Planung. Sie mietet Lagerräume an, um ihre überzähligen Haushaltsgegenstände, Sofakissen, Schmuck und anderes unterzubringen. Bei allen Dreien beschränkt sich das Chaos auf die eigene Wohnung; im Beruf und außer Haus agieren sie meist unauffällig und kompetent.

Schwierig wird es, wenn Vermieter oder Heizungsableser kommen, wenn Behördenformulare verschwunden sind oder alte Kinderfotos für die Filmemacherin herausgesucht werden sollen. Messies seien oft Menschen mit Kaufsucht, erzählt Janice Pinnow, die Freundin von Chris und Gründerin einer Selbsthilfegruppe. Messies horteten Dinge, die sie in der Kindheit schmerzlich vermissten, und empfänden manchmal sogar ein wenig Geborgenheit inmitten ihrer Papierstapel und Kartons. Extreme Messies, die im Müll leben, seien eher selten anzutreffen.

Hilfe von außen
Chris hofft auf Hilfe von außen. Allein könne sie nicht in die Gänge kommen, erzählt sie der Autorin. Es sei schwierig, etwas wegzuwerfen, denn alle Dinge hätten ihre Bedeutung und seien ein Teil ihres Lebens. Georg holt sich zwar eine Aufräumhilfe, erklärt ihr aber, dass sie im Prinzip gar nichts machen solle, nur da sein. Er habe Angst, den Ansprüchen der anderen nicht zu genügen, erzählt er, und verzettele sich in tausend Einzelheiten, bis er gar nichts mehr schaffen könne.

Eva, alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen und freischaffende Künstlerin, sortiert tatkräftig ihre Lagerbestände und erzählt zwischen ordentlich beschrifteten Schachteln für Klopapierhalter und Federwedel von ihrer Angst vor Menschen. Mit den Sachen sei das anders. Die Gegenstände könnten sie nicht verlassen und wären außerdem noch wirksame Platzhalter, damit sich niemand in ihrer Wohnung einnisten könne.

Ein typischer Film der Reihe
Der bunte Jubiläumsfilm von Mechthild Gaßner ist zugleich ein typischer Film der Reihe. Die Autorin, die schon eindrucksvolle Dokumentationen etwa über eine Totenwäscherin oder polnische Pflegerinnen lieferte, griff auch mit dem Thema "Chaos" ein wichtiges Alltagsproblem auf. Die drei Redaktionen von "37 Grad" - die beiden Kirchenredaktionen sowie "Geschichte und Gesellschaft" - suchen Themen, "die ein gesellschaftliches und psychologisches Muster erkennen lassen", das viele Menschen betrifft, wie Peter Arens, der Kulturchef des ZDF betont. "Wir versuchen immer herauszufinden, wie Probleme oder Konflikte begonnen haben, und haben die Erfahrung gemacht, dass die '37 Grad'-Filme nie aufgehübscht werden müssen."

Einige Zahlen aus der Jubiläumsstatistik können die Erfolge der Reihe verdeutlichen: 35 bis 40 Film pro Jahr wurden ausgestrahlt. Die meisten Zuschauerreaktionen, Spenden und Sachhilfen erfolgten auf das Porträt einer Familie, die durch die Krankheit des Vaters in existenzielle Not geraten war. Am wenigsten dagegen konnten die Zuschauer mit einem Film über die Freundschaft zwischen einem Rockstar und einem Rentner anfangen.

Hinweis: 37 Grad: "Leben im Chaos. Wenn Ordnung keine Chance hat".
Jubiläumsfilm der Reihe "37 Grad" von Mechthild Gaßner. ZDF, Di 3.11., 22.15 - 22.45 Uhr.