Zwischenfall im Petersdom wirft Sicherheitsfragen auf

Ein Risiko bleibt

Schrecksekunde im Petersdom: Pünktlich um 22 Uhr hat sich die Prozession der Ministranten, Kreuzträger, Bischöfe und Kardinäle formiert - da bricht Panik aus. Sicherheitsleute rennen durch die Gänge, die Hand am Holster, der Chorgesang bricht abrupt ab. Ein Durcheinander im hinteren Teil des Gotteshauses - außerhalb der Fernsehkameras. Erst nach einigen Sekunden setzt sich die Prozession wieder in Bewegung, der Chor intoniert erneut sein "Tu es Petrus", Papst Benedikt XVI. schreitet segnend durch die Basilika zum Hauptaltar und feiert die Messe - als wenn nicht geschehen wäre.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Erst nach und nach sickert durch, was in diesen Sekunden passierte. Der italienische TV-Sender RAI, der die Papstmesse live kommentierte, sprach zunächst noch von einem Kardinal, dem ohnmächtig geworden sei. Dann hieß es, ein Mann habe den Papst zu Boden geworfen. Erst nach eineinhalb Stunden veröffentlicht RAI die Bilder einer Kamera, die die Szene aufzeichnete. Sie zeigen, wie eine rot gewandete Gestalt die hölzerne Balustrade des Mittelgangs überspringt und auf den Papst zurennt. Ihr gelingt es sogar, den 82-Jährigen zu berühren, sich im Pallium, der Ehrenstola des Papstes, festzukrallen. Erst dann stürzt ein Sicherheitsbeamter dazwischen und reißt die Person zu Boden. Und auch der Papst stolpert und stürzt.

Am Freitag wird bekannt, dass es sich bei der Täterin um eine 25-jährige Frau mit italienischer und Schweizer Staatsangehörigkeit handelt, Susanna Maiolo. Offenbar versuchte sie bereits vor einem Jahr eine ähnliche Attacke, wurde aber einige Sekunden früher von den päpstlichen Leiwächtern abgefangen. Die wohl geistig-verwirrte Angreiferin wurde nach dem erneuten Angriff von der Gendarmerie verhaftet, abgeführt und verhört.

In das Gerangel geriet auch der französische Kurienkardial Roger Etchegaray, der als Kardinal-Bischof unmittelbar vor dem Papst geht. Der sympathische 87-jährige wurde in einem Rollstuhl weggefahren. Er zog sich einen Oberschenkelhalsbruch zu und wurde am nächsten Morgen in der römischen Gemelli-Klinik operiert.

Unmittelbar nach dem Vorfall tauchten Fragen nach der Sicherheit des Papstes auf. Denn Zwischenfälle wie dieser ereignen sich immer wieder. Man nehme den Vorgang nicht besonders ernst, meinte ein Vertreter der Gendarmerie. Zu keinem Zeitpunkt habe Gefahr für das Leben des Papstes bestanden. Trotzdem: Auch das fast tödliche Attentat auf Papst Johannes Paul II. 1981 geschah aus der Menschenmenge heraus.

In Italien fragt man sich zwei Wochen nach dem Anschlag auf Ministerpräsident Silvio Berlusconi, wie Spitzenpersönlichkeiten besser geschützt werden könnten. Im Vatikan weiß man, dass es keinen lückenlosen Schutz für einen Papst gibt, der das Bad in der Menge sucht und den beim Einzug in den Petersdom nur eine 1,30 Meter hohe Balustrade von dicht gedrängten Menschenmenge trennt. Ein Papst, der an die Absperrungen herantritt, Hände schüttelt und Kleinkinder herzt. Trotzdem wird sich der Papst auch nach diesem Vorfall kaum in seinen abgeschotteten Bereich zurückziehen. Ein Risiko bleibt.