EU will somalische Piraterie an der Wurzel bekämpfen

Wenn die Fische ausbleiben

 (DR)



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Von Julia Grimminger (KNA)

Brüssel (KNA) Fischer zu sein war früher ein beliebter Beruf in Somalia. Viele Männer fuhren täglich aufs Meer hinaus, füllten ihre Netze und ernährten so ihre Familien. Obwohl der ostafrikanische Staat immer mehr in die Korruption abzurutschen drohte, funktionierte dieses Leben. Doch irgendwann blieben die Fische aus.

Schuld ist nicht der Klimawandel, auch keine Umweltkatastrophe in den Weiten des indischen Ozeans. Illegale Fischkutter, vor allem aus asiatischen Ländern, sichern sich die reichen Fischbestände; auch kubanische Frachter wurden schon gesichtet. «Sie rauben den Afrikanern ihre Lebensgrundlage», klagt Cristiana Muscardini, die stellvertretende Vorsitzende im EU-Ausschuss für internationalen Handel. Die EU müsse «mit Initiativen dort angreifen», fordert sie..

Anstatt zu kapitulieren wehrt sich Somalia. In der Piraterie findet die existenzielle Verzweiflung vieler Somalier ihren Ausdruck. Mit der umgeschnallten Kalaschnikow gleicht der Vorstoß der Piraten in kleinen Holzbooten manchmal einem Angriff Davids gegen Goliath. Doch der Schein trügt. Die Piraterie hat teilweise längst ein professionelles Niveau. Es ist ein lukratives Geschäft, von dem aber nur sehr wenige profitieren. In so manchem Dorf reihen sich neuerdings Luxusvillen aneinander, vor denen teure Limousinen parken.

Verlangen die Piraten Geld, dann nennen sie das nicht Lösegeld, sondern «Gebühren». Zu mehr Gerechtigkeit in Somalia haben die kriminellen Machenschaften allerdings nicht geführt.
Hilfsorganisationen hatten zu Beginn des Jahres vor einer Zuspitzung der Ernährungslage gewarnt. Sie machen dafür auch Übergriffe auf humanitäre Helfer verantwortlich. Eine halbe Million Menschen sind auf der Flucht, es fehlt an Wasser und Nahrungsmitteln.
Rechtsstaatlichkeit kennen die Somalier seit Jahrzehnten nicht mehr
- wie Afghanistan gehört der afrikanische Staat zu den korruptesten Ländern der Welt.

Doch die Piraterie scheint schon lange kein spezifisch afrikanisches Problem mehr zu sein. Die Piraten unterhalten intensive Kontakte zu arabischen Ländern. Ein «Nährboden für Terrorismus» entstehe dort, sagt EU-Politikerin Muscardini. Es gebe dort besonders enge Beziehungen zu Iran, gibt die Politikerin zu bedenken.

Mitte November 2009 hatte die EU ihren Marineeinsatz gegen Piraten vor der somalischen Küste um ein weiteres Jahr bis Dezember 2011 verlängert. Das «Atalanta»-Mandat sieht vor, Schiffe notfalls mit Waffengewalt vor Piratenangriffen zu schützen, Piraten abzuschrecken und sie gegebenenfalls festzunehmen. Dass die Probleme nicht auf hoher See, sondern an Land liegen, vermuten auch immer mehr EU-Politiker. «Wir müssen zweigleisig fahren», forderte EVP-Fraktionsmitglied Michael Gahler Ende vergangenen Jahres.

Nun hat sich die EU zu einer Beteiligung an der Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte an Land entschlossen. Im Frühjahr 2010 soll die Mission in Uganda beginnen, wie die EU-Außenminister am Montag in Brüssel erklärten. Die von Gahler Ende November geäußerten Vorbehalte sind allerdings noch nicht ausgeräumt. Prinzipiell seien alle für einen Einsatz an Land, sagte er damals. Es gehe ja darum, die Ursachen und nicht nur die Symptome, sprich die Piraterie, zu bekämpfen. Eine Ausbildung und vor allem Ausrüstung von Soldaten vor Ort bedeute aber auch, dass die Zeit nach der Ausbildung geklärt werden müsse. Sollte die Besoldung der Soldaten unklar sein, könnten sie sich gegen die Regierung stellten, befürchtete er.

Die Antwort der EU-Außenminister auf diese Fragen steht noch aus.
Unklar ist auch nach dem grünen Licht für den Einsatz, wie die frisch ausgebildeten Soldaten in die somalischen Sicherheitsstrukturen eingebettet werden sollen. Fest steht lediglich, dass die EU-Mission eng mit der somalischen Übergangsregierung, der Afrikanischen Union, den Vereinten Nationen und den USA zusammenarbeiten soll.