Umweltverbände ziehen düstere 100-Tage-Bilanz der Regierung

Schwarz-Gelb statt Grün

Nach den ersten 100 Tagen der schwarz-gelben Koalition haben Umweltverbände der Bundesregierung vorgeworfen, die Umweltpolitik spürbar zu vernachlässigen. "Wir vermissen einen politischen Entwurf aus einem Guss", sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Hubert Weinzierl, am Donnerstag in Berlin. Kritik äußerten die Verbände unter anderem an der Energie- und Klimapolitik sowie an der Agrar-, Atom- und Finanzpolitik des Regierungsbündnisses von CDU/CSU und FDP.

 (DR)

Wie in anderen Politikfeldern werde deutlich, «dass die Bundesregierung auch in der Umweltpolitik einen Zick-Zack-Kurs fährt», sagte der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger. Es gebe viele Ankündigungen und Versprechen, der notwendige ökologische Umbau der Wirtschaft werde aber auf die lange Bank geschoben. Besonders deutlich sei dies im Agrarsektor, wo mit milliardenschweren Subventionen die Überproduktion und der Export von Milch und Fleisch gefördert werde.
Unverantwortlich sei auch, dass die Bundesregierung den Anbau der Genkartoffel Amflora unterstütze.

Der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Olaf Tschimpke, warf der Koalition vor, Gelder nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen und sich in Lobbystrukturen zu verstricken. Er forderte die Bundesregierung auf, unter anderem das im Koalitionsvertrag versprochene Bundesprogramm für biologische Vielfalt schnell umzusetzen. Wenn sie nicht bereit sei, Ressort-Egoismen abzubauen, «wird sie bei der Biodiversität scheitern».

Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die diffuse Haltung der Bundesregierung zum Thema Atomkraft. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) bezeichne den Atomausstieg als unumkehrbar, während Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) die Reaktoren am liebsten noch 20 Jahre länger am Netz lassen würde, sagte Geschäftsführerin Brigitte Behrens. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wiederum gehe bei diesem Thema «auf Tauchstation». Atomkraft sei keine Brückentechnologie, sondern eine Verhinderungstechnologie.

In Sachen Klimaschutz komme die Bundesregierung nicht aus den Startlöchern, kritisierte WWF-Vorstand Eberhard Brandes. Es bleibe völlig unklar, wie die Bundesregierung das versprochene Ziel einer Senkung des Treibhausgas-Ausstoßes bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 erreichen wolle. «Die Regierung muss jetzt die Weichen stellen, damit wir zur Mitte des Jahrhunderts den Treibhausgasausstoß auf fast Null fahren können.»

Der Dachverband DNR kritisierte die Finanz- und Wirtschaftspolitik der neuen Regierung. Es sei erstaunlich, dass die neue Bundesregierung ausgerechnet bei ihrer angeblichen Kernkompetenz so kläglich scheitere, sagte Weinzierl. Statt der Hotelbranche eine Milliarde Euro an Steuerreduzierung zu gewähren, hätte die Bundesregierung den verringerten Mehrwertsteuersatz befristet für zukunftsweisende Sektoren wie den ökologischen Landbau gewähren können.