Umweltminister will raschen Ausstieg aus Atomkraft

Röttgen überrascht

Mit einem Plädoyer für den Atomausstieg hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) seine Partei aufgeschreckt. Röttgen riet der Union am Wochenende dazu, sich möglichst bald von der Atomkraft zu verabschieden und auf erneuerbare Energien zu setzen. Aus der Union erntete er viel Ablehnung, aber auch vereinzelt Zustimmung.

 (DR)

Die FDP ging auf Distanz zu Röttgen. Die Grünen werteten dessen Äußerungen als völlig unglaubwürdig und reine Wahlkampftaktik. Union und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag zwar eine grundsätzliche Bereitschaft für längere Laufzeiten erkennen lassen, wollen diese aber in ein «Energiekonzept» einbetten. Dies soll bis zum Herbst stehen.

Röttgen mahnte, seine Partei müsse sich «gut überlegen, ob sie gerade die Kernenergie zu einem Alleinstellungsmerkmal machen will». Die Regierung werde bis zum Herbst darlegen, wie die Reaktoren schrittweise durch erneuerbare Energien abgelöst werden sollen. «Kernenergie hat auch nach 40 Jahren keine hinreichende Akzeptanz in der Bevölkerung», betonte Röttgen. Deshalb dürfe die Union ihren Erfolg nicht davon abhängig machen, dass Kernkraftwerke störungsfrei laufen.

Empörung in der Union
Unions-Kollegen reagierten empört auf den Vorstoß. Die Fraktionsvize-Chefs Michael Fuchs und Michael Kretschmer (beide CDU) mahnten, ohne Kernkraft könne ein Industrieland wie Deutschland nicht zurechtkommen. Kretschmer tat Röttgens Aussage als «Unfug» ab. Fuchs riet den Minister, sich an den Koalitionsvertrag zu halten. Der Aufforderung schlossen sich die CDU-Umweltministerinnen in Baden-Württemberg und Hessen, Tanja Gönner und Silke Lautenschläger, an. Der CDU-Politiker Philipp Mißfelder betonte, die CDU sehe die Kernenergie als Brückentechnik. Aus seiner Sicht werde diese Brücke «jedoch länger sein als nur wenige Jahre.»

Röttgen bekam aber auch Unterstützung aus der Union. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) stimmte ihm »voll und ganz« zu. Die AKW-Laufzeiten sollten »nicht über die Maßen verlängert werden. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) begrüßte Röttgens Vorstoß ebenfalls und sagte: «Wir müssen eine Zukunft ohne Kernenergie erfinden.» Der CDU-Politiker Friedbert Pflüger befand: «Röttgen hat Recht.» Pflüger fragte: «Was soll ein Umweltminister denn machen? Erwarten wir von ihm, dass er sich an die Spitze der Pro-AKW-Bewegung stellt?»

Grüne glauben Röttgen nicht
Grünen-Parteichefin Claudia Roth und Fraktionschefin Renate Künast bezeichneten Röttgens Äußerungen als unglaubwürdig. Der Minister versuche, «den Menschen mit Sonntagsreden Sand in die Augen zu streuen, während Schwarz-Gelb im Hinterzimmer den Ausstieg aus dem Atomausstieg festzurrt und die Solarförderung kappt», sagte Roth. Künast warf Röttgen vor, lediglich aus wahltaktischen Motiven zu handeln und bis zur NRW-Wahl «viel grüne Kreide» zu fressen.

Bei der FDP stieß Röttgen auf Widerspruch. «Jetzt auszusteigen aus der Kerntechnik ist ein absolut schwerer Fehler. Das, was hier der Umweltminister gesagt hat, ist nicht die Auffassung der Bundesregierung», sagte FDP-Chef Guido Westerwelle. Die FDP wolle den Weg zu einem Zeitalter der erneuerbaren Energien ebnen. «Aber wir wissen, jetzt geht es noch nicht», betonte Westerwelle.