Italien ringt mit einer neuen wirren Korruptionsaffäre

Katastrophenhelfer in Bedrängnis

Papst Benedikt XVI. hat 7.000 Angehörige des italienischen Zivilschutzes empfangen, um ihnen für die Hilfe nach dem Abruzzen-Erdbeben vor einem Jahr zu danken. Überschattet wurde das Treffen von einer neuen Korruptionsaffäre.

 (DR)

Laut Benedikt XVI. sollte es ein «froher Augenblick des Festes» sein, sein Treffen mit italienischen Katastrophenhelfern fast ein Jahr nach dem großen Erdbeben in den Abruzzen. Doch ein Schatten lag über der Begegnung am Samstag im Vatikan. Denn der staatliche Zivilschutz und sein Chef Guido Bertolaso, einst Held der Nation, stehen seit Wochen im Brennpunkt einer Affäre. Es geht um Klüngel und Bestechung mit Geld, Sex und Luxuswagen. Und in der selbst für italienische Verhältnisse wirren Geschichte taucht sogar noch der Vatikan als Schauplatz auf.

Es fing an mit dem Verdacht von Unregelmäßigkeiten bei Bauvergaben im Rahmen des italienischen G8-Gipfels 2009. Mitarbeiter des Infrastrukturministeriums sollen millionenschwere Aufträge für das Spitzentreffen, das ursprünglich auf der Insel La Maddalena geplant war und von Ministerpräsident Silvio Berlusconi kurzfristig in die Erdbebenregion umdirigiert wurde, gezielt dem römischen Bauunternehmer Diego Anemone zugeschustert haben. Der wiederum nutzte laut der Tageszeitung «La Repubblica» den Ordensmann Evaldo Biasini von den Missionaren des Heiligsten Blutes Jesu als Verwalter seiner schwarzen Kasse. Durch Abhörprotokolle geriet auch Bertolaso ins Visier der Staatsanwaltschaft. Der Krisenmanager, für viele Italiener ein rares Vorbild an Rechtschaffenheit und Effizienz, ließ sich angeblich von Anemone erotische Parties arrangieren. Bertolaso bezeichnet sich nun als Opfer einer Falle.

Unter den ersten Festgenommenen Anfang Februar war der Chef der staatlichen Behörde für öffentliche Bauprojekte, Angelo Balducci. In seinem Amt hatte er verschiedentlich mit dem Katastrophenschutz zu tun, etwa beim Wiederaufbau der Erdbebenregion Umbrien Ende der 90er Jahre. Auch im Vatikan genoss der Ingenieur guten Leumund: Die Missionskongregation nutzte ihn seit 2001 als Berater. Schon 1995 hatte Johannes Paul II. ihn 1995 zum «Gentiluomo» ernannt, zum «Ehrenkammerherrn Seiner Heiligkeit». Als solcher durfte Balducci vornehme Audienzgäste begrüßen.

Es war nicht die einzige Verbindung Balduccis in den Vatikanstaat.
Im Zuge der Ermittlungen tauchten Telefonate mit einem gewissen Chinedu Thomas Ehiem auf, bis vor kurzem Mitglied der Cappella Giulia, der zweiten päpstlichen Sängergarde nach der berühmten Cappella Sistina. Laut Mitschnitten ließ Balducci sich von dem 40-jährigen Nigerianer Callboys vermitteln. Italienische Medien zitierten relativ detailliert die anatomischen Vorlieben des Auftraggebers.

Ehiem selbst versucht seine Rolle herunterzuspielen. Balducci habe ihm «hin und wieder 50 oder 100 Euro» in die Hand gedrückt, «nie mehr als 1.000 oder 1.500 im Jahr», sagte er dem Nachrichtenmagazin «Panorama». Mit der Kirche habe er abgesehen von der Sängerei jedenfalls «nichts zu tun», beteuert Ehiem. Seine Bezeichnung als Ordensmann, die in den Medien kursiert, stamme nur von seiner Einschreibung als Philosophiestudent an einer Päpstlichen Uni in den 90er Jahren. «Im Vatikan bin ich gar nichts.»

Das will auch der Vatikan so sehen. Ehiem sei weder Ordensmann noch Seminarist und bereits aus der Cappella Giulia entfernt worden, verlautete aus vatikanischen Quellen. Ebenso wird man im Apostolischen Palast wohl künftig auf Balduccis Ehrendienst verzichten. Solange er in Untersuchungshaft sitze, könne er die Funktion ja schlecht ausüben, hieß es lakonisch - und künftig auch nicht, wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten. Vorerst bleibt Balducci im römischen Stadtgefängnis.

Auf all das ging Benedikt XVI. natürlich nicht ein, als er zu den 7.000 Gästen in der Audienzhalle sprach. «Danke für das Beispiel, das ihr gegeben habt», rief er ihnen zu. Und, abweichend vom Redetext und persönlich an Bertolaso gewandt: «Ich danke Ihnen für alles, was Sie tun.» Bertolaso selbst verwahrte sich nach der Audienz gegen eine Diskreditierung seines Zivilschutzes. «Diese Jungs haben nichts damit zu tun», sagte er im Kreis seiner Katastrophenhelfer. «Sie sind die schöne Seite Italiens.»