Israelische Denkmalpflege stößt auf erbitterte Proteste

Biblische Stätten im Brennpunkt

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

Erst die Patriarchengräber in Hebron, dann der Tempelberg und jetzt die «Davids-Stadt» in Ostjerusalem: Seit zwei Wochen stehen diese biblischen Stätten des Heiligen Landes im Brennpunkt. Den drei Orten ist gemeinsam, dass sie für Juden große religiöse Bedeutung haben - jedoch seit Jahrhunderten von Palästinensern bewohnt oder als muslimische heilige Stätten verehrt werden. Und dass sie schon früher immer wieder Herd von Unruhen waren.

Ausgelöst wurde die letzte Serie palästinensischer Proteste, weil die israelischen Behörden die Hebroner Patriarchengräber sowie das Bethlehemer Rachelsgrab zum «nationalen israelischen Erbe»
erklärten: Die Grabstätten im Westjordanland wurden einer Liste von insgesamt 150 archäologischen Stätten zugefügt, die für Israel von Bedeutung sind und für deren Erhalt umgerechnet 78 Millionen Euro fließen sollen.

Die Regierung begründete den Beschluss damit, dass die Gräber der Erzväter Abraham, Isaak und Jakob sowie das Grab von Jakobs Lieblingsfrau Rachel selbstverständlich jüdisches Erbe seien und Israel darum für den Erhalt Verantwortung zu tragen habe. Dem Sturm der Empörung in der arabischen Welt wie den tagelangen palästinensischen Demonstrationen in Hebron begegnete Regierungschef Benjamin Netanjahu mit Unverständnis: Die Religionsfreiheit werde gewahrt, von den geplanten Renovierungen würden auch Muslime profitieren.

Doch auch im westlichen Ausland ist man besorgt: Die Vereinten Nationen wie auch die USA geißelten das israelische Vorgehen als kontraproduktiv. Von kirchlicher Seite meldete sich der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal, kritisch zu Wort. Er bezeichnete den israelischen Schritt in Interviews als schwerwiegend und forderte das Ausland auf, sich der Sache anzunehmen.

Vergangenen Sonntagmorgen dann wurden die Bewohner der Jerusalemer Altstadt vom plötzlichen Einsetzen der Minarett-Lautsprecher auf dem Tempelberg aufgeschreckt: Eine erregte Stimme forderte alle Muslime auf, den «El-Haram Asch-Scharif», zu deutsch: «Edles Heiligtum», mit Felsendom und El-Aksa-Moschee gegen die Übernahme durch jüdische Kräfte zu verteidigen. Kurz zuvor hatten rund 200 israelische Polizisten das Gelände gestürmt, weil eine Gruppe muslimischer Jugendlicher nach Polizeiangaben Touristen mit Steinen beworfen und sich in einer Moschee verbarrikadiert hatte.

Bei den Touristen allerdings handelte es sich um Hunderte Asiaten, die T-Shirts mit pro-israelischen Symbolen übergezogen hatten:
Vermutungen von Augenzeugen zufolge zionistisch-evangelikale Pilger.
Unter israelischem Polizeischutz konnten sie den ganzen Vormittag den Platz mit dem Felsendom besuchen, wo bis zu seiner Zerstörung 70 nach Christus der jüdische Tempel stand - für Muslime eine weitere Bestätigung für den Verdacht, dass Siedlergruppen die Kontrolle über das umstrittene Areal an sich reißen wollen.

Als zwei Tage später Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat einen städtischen Plan für die Entwicklung des Areals von «El Bustan» ankündigte, schlugen die Wogen erneut hoch: Das Gebiet liegt in dem palästinensischen Dorf Silwan just auf jenem Abhang, wo Archäologen die alte Stadt Davids vermuten. National-religiöse jüdische Siedler bemühen sich dort um die Gestaltung archäologischer Parks und graben zum Teil auf eigene Faust unter den Häusern der palästinensischen Nachbarn.

Barkats Vorschlag: Statt 88 illegal gebauter palästinensischer Häusern sollten «nur noch 20» einem der geplanten Parks weichen. Die Bewohner würden in neue Unterkünfte gebracht. Auf Betreiben der USA jedoch stoppte Netanjahu persönlich den Bürgermeister, der weitere Gespräche «bis zum Erreichen eines Einverständnisses der Bewohner» ankündigte.

Unterdessen munkelt die örtliche Presse über ein mögliches Gipfeltreffen zwischen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem israelischen Präsidenten Shimon Peres in Rom. Ein weiterer Streit um die biblischen Stätten jedoch - da ist man sich im vermittelnden Ausland einig - würde jede Annäherung unmöglich machen.