Pfarrer der evangelischen Gemeinde vor dem Besuch des Papstes

"Fundgrube für ökumenische Impulse"

Mit seinem Besuch folge der Papst "dem ökumenischen Weg von Johannes Paul II.", sagt Pfarrer Jens-Martin Kruse. Der Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Rom über den ökumenischen Alltag in Rom.

 (DR)

KNA: Herr Kruse, welche Bedeutung hat der Papstbesuch für die evangelisch-lutherische Gemeinde?
Kruse: Wir freuen uns sehr, dass Papst Benedikt XVI. unsere Einladung angenommen hat und mit uns in der Christuskirche einen Gottesdienst feiert. Er folgt mit diesem Besuch dem ökumenischen Weg seines Vorgängers Johannes Paul II., der 1983 zum 500. Geburtstag Martin Luthers in unsere Gemeinde kam. Das war eine Geste von großer Symbolkraft: Zum ersten Mal seit der Reformation betrat ein Papst eine evangelische Kirche. Benedikt XVI. setzt diese Annäherung mit eigenen theologischen Akzenten fort. Vor allem seine Predigten und Katechesen sind eine wahre Fundgrube für ökumenische Impulse.

KNA: Was heißt es in Rom, im Zentrum der katholischen Christenheit, evangelisch zu sein?
Kruse: Anfangs merkt man gar keinen großen Unterschied zu einer evangelischen Diasporagemeinde in Deutschland. Man nimmt hier zunächst mit einer großen Neugier und Offenheit die vielfältigen Erscheinungsformen des Katholizismus wahr. Das regt zum Nachdenken an. Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Katholiken und Protestanten treten daher oft deutlicher ins Bewusstsein als in Deutschland. Uns Lutheranern fällt das Gespräch mit der katholischen Kirche zudem gewiss leichter als etwa den Waldensern und anderen protestantischen Kirchen in Italien, weil es traditionell mehr inhaltliche Berührungspunkte gibt.

KNA: Was erwarten Sie von der Begegnung mit Papst Benedikt XVI.?
Kruse: Für uns handelt es sich um einen Gemeindebesuch des Bischofs von Rom. Wir sind einfach froh, dass Papst Benedikt XVI. in unserem Gottesdienst predigt und so seine Verbundenheit mit den evangelischen Christen in Rom zum Ausdruck bringt. Um diesen Charakter eines Gemeindebesuches zu wahren, haben wir außer unseren Mitgliedern auch nur wenige Gäste eingeladen. Es kommen führende Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirche Italiens und katholische Freunde aus Rom, etwa Vertreter der benachbarten Pfarreien, der deutschsprachigen katholischen Gemeinde Santa Maria dell'Anima sowie Angehörige verschiedener Orden und geistlicher Bewegungen.

KNA: Welche Rolle spielt die Ökumene im Alltag der Gemeinde?
Kruse: Die Ökumene ist für uns ganz selbstverständlich. Sie beginnt schon in den Familien. Viele Gemeindemitglieder sind mit Italienern verheiratet. In diesen Ehen ist das katholisch-evangelische Gespräch gelebter Alltag: Wo gehen wir in die Kirche? Wo lassen wir die Kinder taufen? Darüber hinaus pflegen wir sehr enge Kontakte zu den katholischen Pfarreien in der Nachbarschaft. In der Karwoche etwa veranstalten wir gemeinsam einen ökumenischen Kreuzweg. Außerdem verbinden uns freundschaftliche Bande zum Beispiel mit den Benediktinern von Sankt Paul vor den Mauern sowie der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio und der Fokolar-Bewegung.

KNA: Wie verliefen die Vorbereitungen und die Absprachen mit dem Vatikan?
Kruse: Die Zusammenarbeit verläuft sehr unkompliziert. Ich bin dankbar für die Professionalität, mit der das päpstliche Haus die Sache angeht. Hinzu kommt eine glückliche Fügung: Der Besuch von Papst Benedikt XVI. fällt auf den Fastensonntag "Laetare", der im liturgischen Jahr auf die österliche Freude hinweist.

Das Gespräch führte Thomas Jansen.