Baden-Württemberg beauftragt Staatsrätin für Dialog der Religionen

Theologin in der Regierung

Sie ist neben Kultusministerin Marion Schick das zweite neue Gesicht in der baden-württembergischen Landesregierung: die katholische Theologin Regina Ammicht Quinn. Ministerpräsident Stefan Mappus berief sie nun zur Staatsrätin, um den "interkulturellen und interreligiösen Dialog und die gesellschaftliche Werteentwicklung zu stärken". Eine bundesweite Premiere.

Autor/in:
Irene Armbruster
 (DR)

Weil Politik in Baden-Württemberg nicht gerade reich an Quereinsteigern ist, bekommt Regina Ammicht Quinn nun ein großes öffentliches Interesse zu spüren. Viele Interviewanfragen hat die 53-jährige Theologin des Tübinger Zentrums für Ethik in den Wissenschaften zunächst abgelehnt. Zuerst will sie selbst zuhören und "sehen, was es an erfolgreichen Initiativen bereits gibt". Für den Frühsommer hat sie ihr Arbeitsprogramm angekündigt.

Vor ihrer Zusage zur neuen Aufgabe lag eine schlaflose Nacht.
Ammicht Quinn fragte sich, ob sie von ihrem Lehrstuhl - "an der Universität schaut man auf die Publikationslisten, in der Politik viel stärker auf die Person" - als stimmberechtigtes Mitglied in die Landesregierung wechseln sollte. Dann sagte sie zu - wohlwissend, dass ihre Berufsbiografie manchen konservativen Katholiken in der CDU zum Widerspruch reizen könnte und dass ihr Anspruch, komplexe Themen auch als solche zu bearbeiten, mit dem politischen Tagesgeschäft kollidieren könnte.

Zweimal versagt die Kirchenleitung die Lehrerlaubnis
Aber vor schwierigen Themen hat sich Ammicht Quinn nie gescheut. Sie habilitierte 1999 über den Zusammenhang von Körper, Religion und Sexualität bei dem Tübinger Sozialethiker Dietmar Mieth. Zweimal versagte ihr die katholische Kirchenleitung die Lehrerlaubnis, das "Nihil obstat", als sie an der Spitze der Berufungslisten der katholischen Fakultäten in Augsburg und Saarbrücken stand. Ohne Angabe von Gründen. Und diese Ablehnung habe eine Krise bei ihr ausgelöst, betont sie heute.

Aber dann nutzte sie die Chance, die sie am Ethik-Zentrum in Tübingen erhielt. Hier baute die Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Kindern, die mit einem amerikanischen Literaturwissenschaftler verheiratet ist, als Professorin den Bereich Ethik und Kultur auf. Und stellte so aktuelle und unkonventionelle Fragen wie jene nach der Würde von Menschen mit Behinderungen, die von einem Nacktscanner am Flughafen durchleuchtet werden. Von den Medien angefragt wurde Regina Ammicht Quinn in den vergangenen Wochen aber auch deshalb immer wieder, weil sie bereits
2003 - nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle durch Priester in den USA und Irland - in der theologischen Zeitschrift "Concilium" die Frage nach der Situation in Deutschland stellte.

Themen frühzeitig offen angehen - ein roter Faden
Damals fand diese Anfrage in deutschen Kirchenkreisen wenig Resonanz. Jetzt will man von der durch die feministische Theologie geprägte Wissenschaftlerin wissen, wie diese moralische Katastrophe geschehen konnte. Themen frühzeitig offen anzugehen, das ist ein roter Faden im Wirken von Ammicht Quinn. Deshalb will sie in ihrem neuen Amt in der Regierung gründlich darauf achten, wenn die theoretische Vorstellung vom Weltethos, bei der alle Religionen eine gemeinsame Ethik verbindet, plötzlich durch den muslimischen oder buddhistischen Nachbarn auf die Probe gestellt wird. Was passiert, wenn es trotz guten Willens zu Konflikten an Schule oder Arbeitsplatz kommt? Wie sieht der Dialog der Religionen aus, wenn die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nicht gewährleistet ist? Und schließlich die Frage nach der Identität: Können Menschen mehr als eine Heimat haben?

Damit diese Fragen in Zukunft vermehrt diskutiert werden können, will die neue Staatsrätin Freiräume schaffen, die aber nicht zu Multi-Kulti-Kuschelecken werden sollen. Sie ist davon überzeugt, dass es Konsequenzen für die Politik haben muss, wenn andere Sichtweisen in den öffentlichen Diskurs Einzug halten. Aber die Debatten müssen, davon ist sie überzeugt, gerade bei diesen Themen offen geführt werden. Die Zukunft wird zeigen, ob das im politischen Feld möglich ist.