Das Flugverbot hat auch sein Gutes

So ruhig wie 1974

Nach dem Vulkanausbruch auf Island zieht eine Aschewolke über Deutschland hinweg und legt den Flugverkehr lahm. Bis mindestens Sonntag, 2.00 Uhr, wird es keine Starts und Landungen geben. Je nach Wetterlage auch länger. Während alle Reisenden stöhnen, hat die Sache auch ihre positiven Seiten.

 (DR)

Der Rentner Ernst Remy steht am Gartentor vor seinem Haus in Neu-Isenburg und blickt nach oben. «Kein Fluglärm, keine Kondensstreifen, das ist toll», sagt der 68-Jährige mit breitem Lächeln. Normalerweise donnern die Maschinen vom Frankfurter Flughafen im Abstand von wenigen Minuten über sein Grundstück hinweg. Je nach Windrichtung könne er sich im Extremfall in seinem Garten kaum noch unterhalten. Doch am Samstag herrscht Ruhe:

Diese Zwangspause freut Remy: Manchmal sei der Krach unerträglich, sagt er. Selbst innerhalb des Gebäudes könne es laut werden, und das trotz der lärmisolierten Fenster, die der Flughafenbetreiber Fraport vor einigen Jahren für die Anwohner der Stolzestraße bezahlt hatte. «Der Lärm dringt durch die Mauern», sagt der Rentner. Doch er sieht auch die Schattenseiten der plötzlichen Zwangspause. Der Fraport gehen täglich Millionen Euro verloren, und Tausende Passagiere sitzen am Flughafen festsitzen. Da komme er schon ins Grübeln, sagt der Rentner.

Einige Bewohner befürchten, dass der Stillstand am Flughafen mit einer vorübergehenden Lockerung des Nachtflugverbots ausgeglichen werden könnte. Ein CDU-Politiker habe sich bereits dafür ausgesprochen, wenn dadurch den Passagieren zur schnelleren Weiterreise verholfen werde, sagt Ingrid Kopp vom «Bündnis der Bürgerinitiativen» gegen den Flughafenausbau. Eine solche Idee lehnt sie strikt ab: «Seit Jahrzehnten müssen die Bürger den Fluglärm ertragen, da kann es nicht sein, dass sie aufgrund des Vulkanausbruchs auf Island ihre Nachtruhe opfern müssen.» Kopp befürchtet, dass eine mögliche Aussetzung des Nachtflugverbots weitere Ausnahmen nach sich ziehen könnten. Im Übrigen, seien den Bürgern doch ein paar Tage Ruhe zu gönnen, betont Kopp.

Am Stadtrand von Neu-Isenburg nur wenige Minuten von Deutschlands größtem Flughafen entfernt sind am Samstag die Fenster geöffnet, aus den Wohnungen ist leise Radiomusik und das Klappern von Geschirr zu hören. Der Anwohner Andreas Petri will die ungewohnte Stille dazu nutzen, um mit seinem Computer auf der Terrasse seines Hauses zu arbeiten. «Das ist ja fast wie während der Ölkrise 1974, als die Autobahnen leer waren», sagt er. Zwar ist er der Ansicht, dass jeder, der nach Neu-Isenburg zieht, mit dem Fluglärm klarkommen muss, doch die Ruhe genießt er trotzdem.

Das ist nicht überall so: Sein Nachbar Paul Rissmann bemerkt «keine große Veränderung» im Vergleich zu anderen Tagen. Während er seinen Wagen wäscht, blickt er kurz zum Himmel und zeigt auf die Autos, die über die Straße flitzen. «Der Autolärm stört mich deutlich mehr, als die Flieger», sagt der 49-Jährige, der mit seiner Familie vor einiger Zeit nach Neu-Isenburg zog. Damals hätten ihn Freunde gewarnt, der Fluglärm sei nervtötend. «Doch das empfinde ich nicht so», sagt Rissmann. Deshalb werde er den Tag auch nicht in besonderer Weise nutzen weder für Spaziergänge im Wald noch für Gartenarbeit.

Aus Sicht von Dirk Treber von der «Bundesvereinigung gegen Fluglärm», die in Mörfelden-Walldorf ihren Sitz hat, könnte die kurzzeitige Einstellung des Luftverkehrs bei vielen Bürgern auch einen «Aha-Effekt» auslösen. Viele Geschäftsleute, die sonst mit dem Flugzeug zu ihrer Arbeitsstätte in andere deutsche Großstädte pendelten, stiegen wegen der derzeitigen Sperrung des Luftraums auf die Bahn um oder organisierten Fahrgemeinschaften. Ob dieser Effekt anhalte, wenn die Maschinen wieder abheben, sei schwer vorherzusehen, sagt Treber: «Aber vielleicht erkennen doch viele Menschen, dass es ja auch anders geht.»