Dort scheiterte die katholische Kirche am Montag (Ortszeit) mit einer Berufungsklage, die einen Prozess im Bundesstaat Oregon abwenden sollte. Angeklagt: der Heilige Stuhl, wegen Vertuschung sexuellen Missbrauchs durch einen Priester.
Im Mittelpunkt steht der 1992 verstorbene irische Ordensgeistliche Andrew Ronan. Ihm wirft ein heute erwachsener Mann vor, sich Mitte der 1960er Jahre in Portland sexuell an ihm vergangen zu haben. Der Anklage zufolge wechselte Ronan nicht zufällig aus dem irischen Erzbistum Armagh über Chicago in die Pfarrei St. Andrews in Oregons Hauptstadt. Auch an seinen früheren Einsatzorten soll er seit den 1950ern Minderjährige missbraucht haben.
Nach Auffassung Andersons, der nach Medienangaben schon Hunderte Missbrauchsopfer vertrat, war es der Vatikan, der den langen Weg des Priesters nach Westen deckte. Katholische Geistliche seien letztlich Angestellte der römischen Zentrale; der Heilige Stuhl trage damit auch die letzte Verantwortung für Straftaten seines Personals an der Kirchenbasis weltweit. Davor schütze auch nicht die Immunität, die der Vatikan als souveräner Staat vor US-Gerichten genießt. Diese Sichtweise teilten zuvor auch zwei Gerichte in Oregon.
"Kein Angestellter der Heiligen Stuhls"
Die vatikanische Seite pochte dagegen vor dem Washingtoner Supreme Court auf ihre Schutzgarantien - und scheiterte formell. Ohne Begründung verwiesen die Obersten Richter die Streitsache an das Distriktgericht in Portland zurück. Für den weiteren Gang sieht der Rechtsvertreter des Vatikan in den USA, Jeffrey Lena, noch nichts verloren: "Wir werden dem Distriktgericht darlegen, dass der betreffende Priester kein Angestellter der Heiligen Stuhls war", sagte er laut Medienberichten.
Weder habe der Vatikan das Gehalt des Geistlichen gezahlt, noch habe er seine Dienste in Anspruch genommen oder eine ständige Dienstaufsicht ausgeübt, argumentiert Lena - all das spreche gegen ein Beschäftigungsverhältnis. Bis zu dem aktuellen Prozess sei in Rom nicht einmal die Existenz des Priesters Andrew Ronan bekannt gewesen, sagte der Anwalt dem Sender Radio Vatikan.
Sein Kontrahent Anderson zeigt sich davon unbeeindruckt. In der Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche sei das Washingtoner Urteil "der Fall der Berliner Mauer", sagte er der "Repubblica". Jetzt gebe es die außerordentliche Gelegenheit, den Vatikan für "seine sträfliche Nachlässigkeit" haftbar zu machen.
Keine Stellungnahme aus dem Vatikan
Ob Benedikt XVI. eines Tages wirklich vor Gericht in den Zeugenstand treten muss? Manche Kommentatoren in Italien spekulieren darüber; glauben tut es wohl niemand. Anwalt Anderson will jedenfalls weitermachen: "Ich wusste seit 25 Jahren, dass alle Wege nach Rom führen", sagte er laut US-Zeitungen. Jetzt sei der Beginn einer neuen Reise - auch wenn er einräumte, dass es wohl eine "einzigartig schwierige Odyssee" werde.
Aus dem Vatikan gab es bislang keine Stellungnahme zu dem Vorgang in Amerika. Die Kurienbüros blieben geschlossen; denn ganz Rom feierte am Dienstag das Fest seiner Schutzheiligen, der Apostel Petrus und Paulus. Der Überlieferung nach starben beide an diesem Tag - letzterer nach einer Auseinandersetzung mit der weltlichen Gerichtsbarkeit.
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Papst im Visier der Anklage
In Italien sehen manche den Papst schon auf der Anklagebank: "Ich bringe Benedikt XVI. vor Gericht", zitiert die Zeitung "La Repubblica" den US-amerikanischen Juristen Jeff Anderson. Die jüngste Entwicklung beruht auf einem Urteil des Obersten Gerichtshofs in Washington.
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