Debatte um Gentests an Embryonen geht weiter

Der Tag nach dem Urteil

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu Gentests an Embryonen debattiert die Politik über die Konsequenzen für die Gesetzgebung. Heftige Kritik kam erneut aus den Reihen der katholischen Kirche.

 (DR)

Die Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Maria Flachsbarth (CDU), reagierte mit «großem Bedauern und Sorge» auf die Gerichtsentscheidung. «Selbst wenn die Präimplantationsdiagnostik nur eingesetzt wird, wenn die Eltern bereits Träger schwerer Erbkrankheiten sind, setzt das voraus, dass nicht mehr für jeden Embryo der volle Schutzumfang des Grundgesetzes gilt», erklärte sie am Mittwoch in Berlin. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU), forderte eine Präzisierung des Embryonenschutzgesetzes, um den Schutz werdenden Lebens sicher zu stellen.

Die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, forderte dagegen die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) und kündigte eine entsprechende Initiative ihrer Fraktion an. Der vor dem Bundesgerichtshof entschiedene Fall zeige, dass «der Wesensgehalt der PID eben nicht die Selektion ist, sondern die Hilfe zu einem gesunden Kind», so die gesundheitspolitische Sprecherin.

Das Mitglied des Deutschen Ethikrates, Ulrike Riedel (Bündnisgrüne), forderte die Bundesregierung auf, «endlich ein Fortpflanzungsmedizingesetz» zu erlassen. «Die grundgesetzlichen Grundlagen dafür wurden bereits 1994 geschaffen, aber seither hat sich noch nichts getan,» sagte sie der «Berliner Zeitung». Dabei sollte die PID entweder explizit verboten, oder auf bestimmte Fälle begrenzt werden. Auch sollten die Indikationen für eine künstliche Befruchtung geregelt werden, aber auch die verwandtschaftlichen Folgen einer Samenspende, sagte Riedel. «Das Verbot der Eizellspende und der Leihmutterschaft werden Themen sein.» Und vor allem sei die Aufsicht und Kontrolle über die Anwendung der Fortpflanzungsmedizin zu regeln. «Wir bräuchten eine staatliche Kontrollbehörde», forderte sie.

Der Fuldaer katholische Bischof Heinz Josef Algermissen warnte vor den langfristigen Folgen des Urteils. Die rechtliche Zulassung der PID werde eine Mentalität fördern, Leben auszuwählen statt zu wählen, so der Bischof in Fulda.

Als einen Dammbruch und einen ersten Schritt zum Designer-Baby hat Bischof Gebhard Fürst die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezeichnet, dass sich ein Frauenarzt durch die Anwendung der Präimplantationsdiagnostik (PID) nicht strafbar gemacht habe. Bischof Fürst, der Vorsitzender der Unterkommission Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz ist, nannte es einen im negativen Sinn historischen Einschnitt, dass trotz des PID-Verbots im deutschen Embryonenschutzgesetz durch ein höchstrichterliches Urteil die Selektion angeblich nicht lebenswerten Lebens gedeckt sei. Er nehme wohl zur Kenntnis, so Bischof Fürst, dass der BGH seine Entscheidung auf die Untersuchung von Zellen auf schwerwiegende genetische Schädigungen begrenze. Doch stelle das Urteil grundsätzlich zur Disposition, dass einem menschlichen Embryo in jeder Phase seiner Entwicklung Lebensrecht und personale Würde als Mensch zukomme. Die Grenzziehung bei der Bewertung der Schwere einer genetischen Schädigung sei darüber hinaus der Beliebigkeit individueller Einschätzungen preisgegeben. Implizit bedeute das Urteil, so Bischof Fürst, dass Menschen mit genetisch bedingten Behinderungen in unserer Gesellschaft nicht vorkommen dürften. Dies sei die Auflösung einer solidarischen Verantwortung, ohne die eine humane Gesellschaft nicht bestehen könne.

Als «schwarzen Tag in der Geschichte der deutschen Rechtssprechung» beurteilten die beiden Vertreter der katholischen Kirche im Deutschen Ethikrat, der Augsburger Weihbischof Anton Losinger und der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff, das Urteil. Der BGH habe das vom Parlament beschlossene Gesetz durch Richterrecht verändert, erklärten die beiden Theologen in Freiburg.

Losinger und Schockenhoff kritisierten, die probeweise Erzeugung einer Überzahl von Embryonen widerspreche der Menschenwürde. Sie sprachen wegen der «unerträglichen Diskriminierung von behinderten Menschen» auch von einem Grundgesetzverstoß. Für die Fortpflanzungsmedizin in Deutschland beginne nun eine «neue Zeitrechnung». Auch der Bundesverband Lebensrecht (BVL) appellierte an die Politik, den Embryonenschutz rasch wieder herzustellen. Der BVL-Vorsitzende Martin Lohmann bezeichnete den Richterspruch als «Angriff auf den Lebensschutz in Deutschland» und sprach von einem «tödlichen Rückschritt».

Der Bundesgerichtshof in Leipzig hatte am Dienstag entschieden, dass die genetische Untersuchung und Aussonderung geschädigter Embryonen im Rahmen der künstlichen Befruchtung nicht gegen geltendes Recht verstößt.