Am Samstag sind in Australien Parlamentswahlen

Christen als Königsmacher

Darf eine Atheistin Australien regieren? Barry Hickey, katholischer Erzbischof von Perth, hat daran ernsthafte Zweifel. Doch sie regiert bereits: Julia Gillard ist amtierende Premierministerin - und stellt sich am Samstag der Wahl.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Ins Amt kam die 48-Jährige im Juni durch einen internen Putsch in der Labour-Partei; so löste sie ihren Vorgänger Kevin Rudd ab. Ob die Wähler diesem Vorgehen ihren Segen erteilen?

In einem Interview erklärte Erzbischof Hickey, dass Gillard regiere, sei ein Symptom der "Zunahme der Säkularisierung der Politik" - und rief damit vehementen Widerspruch seines anglikanischen Amtsbruders Roger Herft hervor. Es sei "weder hilfreich noch wahr", dass der christliche Glaube allein ein Monopol auf "moralische Integrität" habe, betonte Herft.

Julia Gillards Gegenspieler ist der bekennende Katholik Tony Abbott. Der Führer der Oppositionskoalition aus Liberaler Partei und Nationaler Partei als Juniorpartnerin sollte als ehemaliger Priesterseminarist der sichere Wahlgewinner sein - wenn es nach den Wünschen mancher Bischöfe aller Konfessionen und christlicher Organisationen wie der durchaus einflussreichen Australian Christian Lobby (ACL) ginge.

Kopf-an-Kopf-Rennen
Die beiden Parteien liefern sich aber selbst ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Zudem sind nach Ansicht von Wahlforschern die von Bischöfen und der ACL propagierten Themen wie Ablehnung der "Homo-Ehe" oder die staatliche Finanzierung von Schulseelsorgern eher "weiche Themen", die vor den großen Problemen Australiens wie einem maroden Gesundheitssystem, der Einwanderungspolitik oder der strukturellen Wirtschaftsprobleme verblassen. Keine der beiden großen Parteien hat auf diese Fragen eine überzeugende Antwort.

Statt Visionen zu bieten und politische Führungskraft, reagieren beide Spitzenkandidaten nur auf Meinungsumfragen. Wie sehr Populismus den Wahlkampf regiert, zeigt die Debatte um die Asylpolitik. Asylbewerber, vor allem wenn sie mit dem Boot kommen, werden als Bedrohung, als Feinde, als potenzielle Terroristen gesehen, die man möglichst weit von Australien fernhalten sollte.

Gillard will Bootsflüchtlinge aus Sri Lanka, Afghanistan, dem Irak bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag in ein Lager in Osttimor stecken. Abbott hat versprochen, vom "ersten Tag" seiner Regierung an die umstrittene "Pazifische Lösung" von Ex-Premierminister John Howard wiederzubeleben und Bootsflüchtlinge in dem südpazifischen Inselstaat Nauru zu internieren. Die latente Fremdenfeindlichkeit vieler Australier bedient Abbott auch mit dem Versprechen, im Fall eines Wahlsiegs die Entwicklungshilfe zu kürzen.

Klimawandel als zentrales Thema
Die Arbeiterpartei Gillards liegt in den meisten Umfragen vorn. Durch das australische Mehrheitswahlrecht werden aber jene wenigen urbanen Wahlkreisen entscheidend sein, in denen Bruchteile von Prozenten den Ausschlag über Wohl oder Wehe eines Kandidaten geben. Hier könnten sich zwei Minderheiten als Königsmacher erweisen: die Grünen und die Christen. In Randbezirken von Sydney könnten besserverdienende, sozial konservative evangelikale Wechselwähler dieses Mal der Opposition den Vorzug geben. In Gillards Heimatstadt Melbourne hingegen könnten durch das komplizierte Wahlrecht grüne Wähler die Labour-Kandidaten über die Ziellinie bringen.

Eines der zentralen Themen im Wahlkampf ist der Klimawandel. Der gehört - neben einer menschlichen Flüchtlingspolitik und den Rechten der Aborigines - auch zu den Prüfsteinen im Wahlaufruf der katholischen Bischofskonferenz. Dort heißt es: "Die Richtung der Umweltdebatte muss sich ändern hin zu Überlegungen über die Bedürfnisse künftiger Generationen, statt nur darüber zu reden, wie gegenwärtige Unbequemlichkeiten vermieden können." Da hat Gillard dann doch die Nase vorn vor ihrem Konkurrenten Abbott, der eher dem Lager der Klimawandelskeptiker angehört.