Kulturstaatsminister Neumann widerspricht Lothar de Maizière

Kontroverse über DDR

Die DDR war für Lothar de Maizière (CDU) kein Unrechtsstaat. "Ich halte diese Vokabel für unglücklich", sagte der letzte und einzige frei gewählte DDR-Ministerpräsident in einem Interview. Die DDR sei kein vollkommener Rechtsstaat, aber auch kein Unrechtsstaat gewesen, sagte er anlässlich des 20. Jahrestags des Volkskammer-Beschlusses zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) widersprach de Maizière kategorisch. Die DDR sei ein "Unrechtsstaat durch und durch" gewesen, sagte er am Montag in Marienborn.

 (DR)

Der Begriff «Unrechtsstaat» unterstelle, «dass alles, was dort im Namen des Rechts geschehen ist, Unrecht war», sagte de Maizière der «Passauer Neuen Presse» (Montagsausgabe). Wenn das so gewesen wäre, hätte im Einigungsvertrag nicht vereinbart werden können, dass Urteile aus DDR-Zeiten weiter vollstreckt werden können, argumentierte der CDU-Politiker.

Neumann sagte, die DDR sei ein undemokratischer Staat gewesen, der seine Bürger hinter Mauern und Stacheldraht eingesperrt habe. Das SED-Regime habe den Bürgern fundamentale Rechte verwehrt. Zudem habe es über keine unabhängige Justiz verfügt, die staatliche Eingriffe überprüfen und die Menschen vor Willkür und Unrecht hätte schützen können, sagte der Kulturstaatsminister bei der Eröffnung einer Sonderausstellung in der Gedenkstätte Deutsche Teilung in Marienborn.

Auch die Vereinigung der Opfer des Stalinismus kritisierte de Maizières scharf. Dieser verharmlose mit seinen Äußerungen die SED-Diktatur und versündige sich damit an deren Opfern, erklärte der stellvertretende Bundesvorsitzende Ronald Lässig. «Die DDR hat ihre Bevölkerung systematisch eingesperrt und bevormundet. Wer die Flucht wagte, wurde an Mauer und Stacheldraht erschossen oder eingesperrt», sagte Lässig.

Die Volkskammer hatte am 23. August 1990 den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik beschlossen. 20 Jahre nach der Einheit zieht der einzige frei gewählte und zugleich letzte DDR-Ministerpräsident eine positive Bilanz. Zwar seien sich manche Vertreter seiner Generation noch immer fremd geblieben, aber «für die jungen Menschen, die heute an den Universitäten studieren, spielt Ossi oder Wessi gar keine Rolle mehr», sagte Lothar de Maizière. «Das Land wächst zusammen.»

Sachsen-Anhalts Staats- und Europaminister Rainer Robra (CDU) würdigte in einem Grußwort zur Ausstellungseröffnung in Marienborn den friedlichen Umsturz in der DDR als «erste erfolgreich vom Volk ausgehende Revolution» in Deutschland. Thema der von der Gedenkstätte erarbeiteten Präsentation ist die Entwicklung in der DDR zwischen Herbst 1989 und den ersten freien Wahlen im März 1990.

Im Mittelpunkt stehen zwölf herausragende Akteure von damals, unter ihnen der frühere Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck. Die Dokumentation unter dem Titel «SED - wenn Du nicht gehst, dann gehen wir!» ist als Wanderausstellung konzipiert. Sie kann von 2011 an von Bildungseinrichtungen und Museen ausgeliehen werden.