Die regelmäßigen Treffen des Schülerkreises

Der Papst als Professor mit seinen Studenten

Die regelmäßigen Treffen mit den früheren Schülern gehören zu den wenigen festen Terminen, die der frühere Professor Joseph Ratzinger auch in den Papstpalast hineingerettet hat. An jedem August-Ende schart Benedikt XVI. - jahreszeitbedingt an seinem Sommersitz Castelgandolfo - mehrere Dutzend Theologen um sich.

Autor/in:
Johannes Schidelko
In jungen Jahren: Prof. Joseph Ratzinger (KNA)
In jungen Jahren: Prof. Joseph Ratzinger / ( KNA )

Sie haben bei ihm promoviert, sich habilitiert oder ihm als Assistenten zugearbeitet: Sie sind in der Lehre oder in der Seelsorge tätig, viele als Professoren, mancher als Bischof oder Kardinal.

Für den 83-Jährigen, der auch nach seiner Kardinalserhebung und Papstwahl wissenschaftlich arbeitet und Bücher schreibt, ist das Treffen bis Sonntag (29.08.2010) mit dem Schülerkreis ein Wiedersehen mit alten Freunden und Wegbegleitern. Aber es ist auch eine kurze Rückkehr in alte Zeiten, wo er im akademischen Milieu disputiert, wissenschaftlich Themen erörtert, auf Fragen antwortet und Fragen stellt.

Treffen hinter verschlossenen Türen statt
Die Treffen finden stets hinter verschlossenen Türen statt. Aber seit der einstige Lehrer Papst ist, stoßen sie auch draußen auf Interesse. Auf der Agenda stehen Fragen und Themen, die dem Papst besonders wichtig sind. In den vergangenen Jahren ging es etwa um Darwin und die Evolution, um den Islam oder um die Mission. Diesmal stehen das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) und seine Rezeption auf der Tagesordnung - ein Thema, das den einstigen Konzilsberater Ratzinger ganz besonders beschäftigt. Schon als Erzbischof in München wie als Kurienkardinal warnte er vor einer undifferenzierten Konzils-Euphorie und lehnte es ab, Geist und Buchstaben des Konzils gegeneinander auszuspielen. Und er äußerte wenig Verständnis für den Ruf nach einem Dritten Vatikanum, da das Zweite noch längst nicht aufgearbeitet sei.

Als Gastredner wird diesmal der neue vatikanische Ökumene-Minister Erzbischof Kurt Koch vor dem Ratzinger-Schülerkreis sprechen. In seinen beiden Referaten über das Konzil zwischen Tradition und Innovation geht es um die korrekte Deutung und Umsetzung des Konzils im Geflecht von Reform, Kontinuität und Bruch. Benedikt XVI. hat die schwierige Rezeption und richtige Auslegung des Konzils bereits zum Thema seiner ersten große Rede vor der römischen Kurie gemacht. Beim Weihnachtsempfang 2005 sprach er von einer "Hermeneutik der Reform", der eine "Hermeneutik der Diskontinuität" gegenüberstehe. Erstere bemühe sich um eine Erneuerung der Kirche in ihrer Zeit unter Wahrung der Kontinuität, die zweite berge das Risiko des Bruchs zwischen vorkonziliarer und nachkonziliarer Kirche.

Schülerkreis bemüht sich um Kontinuität.
Benedikt XVI. wandte sich dabei gegen Behauptungen, dass die Konzilstexte noch nicht wirklich den Konzilsgeist ausdrückten und daher mit Elan auf Neues hin weiterentwickelt werden müssten. Sein Fazit: Das Zweite Vatikanische Konzil habe das Verhältnis zwischen dem Glauben der Kirche und Grundelementen des modernen Denkens neu bestimmt und etliche in der Vergangenheit gefällte Entscheidungen neu überdacht oder auch korrigiert. Aber "trotz dieser scheinbaren Diskontinuität hat sie ihre wahre Natur und ihre Identität bewahrt und vertieft. Die Kirche war und ist vor und nach dem Konzil dieselbe eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die sich auf dem Weg durch die Zeiten befindet." Der Dialog mit der Zeit müsse fortgesetzt werden, und zwar in "großer Offenheit des Geistes, aber auch mit der klaren Unterscheidung der Geister"; genau das erwartete die Welt von der Kirche, mahnte der Papst.

Zwar sind Öffentlichkeit und Medien nicht zugelassen. Aber in früheren Jahren wurden mitunter die Texte der Vorträge anschließend dokumentiert. Ob das jetzt der Fall ist, scheint offen. Aber der Schülerkreis bemüht sich auch um Kontinuität. Diesmal sind zeitweise einige Theologie-Doktoranden zugelassen, die über Werke, Themen und Thesen Ratzingers arbeiten. Nachdem sich viele Schüler des heutigen Pontifex allmählich den Pensionsgrenzen nähern, eröffnet der Kreis damit Zukunftsperspektiven.