Der Papst trifft in Großbritannien auf mehrere Kirchentraditionen

Ein Monarch - zwei Länder

Wenn Papst Benedikt XVI. seine Reise antritt, wird er kein wirklich vereintes Königreich, sondern zumindest zwei sehr unterschiedliche Länder vorfinden. Sein Staatsbesuch gilt zwar auch Wales, doch hat er dort keine eigene Besuchsstation. Schottland und England, seine beiden Stationen, sind durch ihre religiöse Vergangenheit völlig unterschiedlich geprägt.

Autor/in:
Robert Nowell
 (DR)

Seit 450 Jahren hat die Kirche von Schottland eine presbyterianische Kirchenverfassung. Nach einem erbitterten Kampf gegen die Bestrebungen der Stuart-Könige, den Episkopat zu erneuern, setzte sich die protestantische Reformbewegung Ende des 18. Jahrhunderts endgültig durch. Im Gegensatz zur anglikanischen Staatskirche von England - deren Schutzherr und weltliches Oberhaupt der König ist - ist das Staatsoberhaupt in der presbyterianischen Kirchenverfassung Schottlands außen vor: Den Monarchen oder seinen Stellvertreter empfängt das Ältestengremium der Kirche von Schottland zwar als Ehrengast, Beobachter und "Schutzherr". In den Verfahren der Leitungsgremien spielt er aber keine direkte Rolle.



Es ist eine Geschichte mit Höhen und Tiefen: Obwohl auch in der Kirche von Schottland Querelen, Trennungen und Wiedervereinigungen nicht ausblieben, kann sie von sich behaupten, die einzige "Nationalkirche" des Landes zu sein - im Gegensatz zur anglikanischen Kirche. Hauptsächlich im schottischen Hochland und auf den Inseln hat zudem der Katholizismus überlebt. Die meisten Katholiken in Schottland sind heute Nachfahren von Einwanderern aus Irland, die der Hunger auf die Nachbarinsel trieb. Während die Kirche von Schottland aus einem protestantischen Wunsch nach Reform entstand, ist die Kirche von England eher von einem Wunsch König Heinrichs VIII. (1491-1547) nach Kontrolle geprägt.



Eigentlich hatte ihm die Kirche helfen sollen, seine Machtpläne weiter zu verfolgen. Der Streit um seine Ehefrauen, die ihm den ersehnten Thronfolger schenken sollten, führte allerdings zum Bruch. Als Konsequenz der letztlich politischen Ereignisse trennte er damals die englische Kirche von Rom und setzte sich selbst als ihr Oberhaupt ein. So entstand die Kirche von England, die Mutter der anglikanischen Kirche, niemals aus einer nationalen Bewegung heraus, wie es in Schottland der Fall war.



Zwei völlig verschiedene Funktionsweisen

Zwei Kirchen - zwei völlig verschiedene Funktionsweisen: In England steht der Monarch an der Spitze der anglikanischen Kirche und ernennt formell die Bischöfe. Tatsächlich vollzieht dies aber der Premierminister. Die anglikanische Kirche von England mag von ihrer Generalsynode regiert werden; allerdings müssen die im Gremium beschlossenen Gesetze beide Häuser des Parlaments passieren, bevor sie in Kraft treten können. Die 26 ältesten Bischöfe sind Mitglieder des Oberhauses. In der Versammlung hat es sich eingebürgert, dass die Erzbischöfe von Canterbury beim Eintritt in den Ruhestand geadelt werden.



Auch in den Bildungssystemen beider Länder hat die religiöse Vergangenheit unterschiedliche Spuren hinterlassen. In Schottland entstanden ab dem 16. Jahrhundert vier Universitäten, im deutlich stärker bevölkerten England dagegen nur zwei. John Knox (1514-1572), ein führender Kopf der schottischen Reformation, wollte für jede Gemeinde eine Schule durchsetzen. In England wurde Eton, ursprünglich zur Ausbildung 40 armer Kinder gegründet, zur Eliteschule, in der heute die Söhne der englischen Oberschicht ihren Abschluss machen.



Die beiden Länder unterscheiden sich auch in ihren Rechtssystemen - eine wichtige Tatsache, die die Regierung in Whitehall zumindest bei einer peinlichen Gelegenheit vergaß: Als ein britischer Diplomat sich in seinen Ansichten über den Nahen Osten allzu undiplomatisch zeigte, holte die Regierung eine einstweilige Verfügung beim Oberen Gerichtshof in London ein, um eine Veröffentlichung der Aussagen in englischen Zeitungen zu verhindern. Einen entsprechenden Antrag beim Gerichtshof in Edinburgh hatten die Politiker wohl schlicht vergessen. So schaffte es der Diplomat auf die Titelseite des "Glasgow Herald".