Dritte-Welt-Äußerung Kaspers sorgt für Medienrummel vor Papstreise

Zugespitztes Interviewzitat

Unmittelbar vor dem Papstbesuch sorgt in Großbritannien ein zugespitztes Interviewzitat von Kardinal Walter Kasper für einen Eklat. Die britische Zeitung «The Guardian» (Onlineausgabe) meldete am Mittwoch, der frühere vatikanische Ökumene-Minister sei kurzfristig von der Delegation Benedikts XVI. zurückgetreten, nachdem er England mit einem Dritte-Welt-Land verglichen habe. Tatsächlich bezog sich die Äußerung Kaspers jedoch auf die kulturelle Pluralität Großbritanniens und war nicht abwertend akzentuiert.

 (DR)

Die betreffende Aussage stammt aus einem Interview, das der deutsche Kurienkardinal dem Magazin "Focus" gegeben hatte. Wörtlich sagte er: "England ist heute ein säkularisiertes, pluralistisches Land. Wenn Sie am Flughafen Heathrow landen, denken Sie manchmal, Sie wären in einem Land der Dritten Welt gelandet."



Die Focus-Journalistin, die das Interview geführt hatte, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), aus dem Gesprächskontext gehe eindeutig hervor, dass sich Kasper mit der Aussage auf die ethnische und kulturelle Vielfalt des Landes bezogen habe. Kasper selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.  



Auch Kaspers Verzicht auf die Teilnahme an dem Staatsbesuch des Papstes ist in Vatikan-Kreisen keine Überraschung. Der 77-Jährige ist erkrankt und musste daher die Reise absagen. Nach wie vor bleibt jedoch sein Nachfolger an der Spitze des Ökumenerats, der Schweizer Erzbischof Kurt Koch (60), in der päpstlichen Entourage.



Ein Sprecher der Kirche in England und Wales erklärte am Abend, der Kasper zugeschriebene Kommentar gebe weder die Meinung des Vatikan noch die der Bischöfe dieses Landes wieder. "Ganz offensichtlich" handele es sich "um die persönliche Meinung eines Einzelnen".  Katholiken spielten "im Leben dieses Landes eine bedeutende Rolle"; sie begrüßten die Vielfalt der Ideen, Kulturen und Menschen, "die hier so klar zu sehen ist". Der "historische Besuch" des Papstes markiere eine Weiterentwicklung der guten Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Heiligen Stuhl. "Wir sind sicher, dass er ein enormer Erfolg wird", so der Sprecher.



Benedikt XVI. bricht an diesem Donnerstag zu einem viertägigen Besuch in Schottland und England auf. Neben einer Begegnung mit Königin Elizabeth II. stehen auch interreligiöse und ökumenische Treffen auf dem Programm.