Terrorverdacht überdeckt historische Papstansprache

Presseschau II

Die Festnahme von sechs Terrorverdächtigen in London hat der historischen Ansprache von Papst Benedikt XVI. in Westminster Hall am Samstag die Schlagzeilen der britischen Presse gestohlen. Der linksliberale "Guardian" und die politisch mittige "Times" titelten beide mit dem möglichen "Komplott" gegen den Papst.

 (DR)

Das Boulevardblatt "Daily Mirror" schrieb in großen Lettern "Blow up the Pope" ("Spreng den Papst in die Luft") auf der Seite eins, würdigte aber im Innenteil den "Mann für alle Religionen". Nur der liberale "Independent" distanzierte sich vom Papstbesuch und titelte mit dem Beginn des liberaldemokratischen Parteitags und einem großen Foto von Vize-Premier Nick Clegg.



Fast alle Medien bezeichneten den Freitag wiederholt als einen "historischen Tag". Erstmals hat ein Papst in der Westminster Abbey einen Gottesdienst mit einem Erzbischof von Canterbury gefeiert, und erstmals hat ein Papst in der traditionsreichen Westminster Hall eine Rede vor Vertretern der Zivilgesellschaft im protestantischen Großbritannien gehalten.

Die Boulevardzeitung "Daily Mail" nannte die Ansprache zur Bedeutung des christlichen Glaubens in der Gesellschaft einen "Kampf des Papstes zur Rettung von Weihnachten". Die Qualitätspresse sah die Sache differenzierter. Der Papst habe die "Religion wieder ins Rampenlicht gerückt", schrieb der "Daily Telegraph", und seine Nachricht sei "nicht auf taube Ohren gestoßen." Schließlich berühre sie Katholiken und Anglikaner gleichermaßen: "Mitglieder der Kirche von England und kleinerer protestantischer Kirchen teilen das Gefühl der Katholiken, dass Christen ein leichtes Opfer für liberale Politiker und Prominente sind, die sich nicht trauen, den Islam zu kritisieren." Sie würden öffentlich gemobbt, wenn sie "bei der Arbeit ein Kreuz tragen" oder "unmoderne Meinungen zu Homosexualität oder Verhütung" hätten. Deshalb sei "Toleranz" so wichtig.



Die "Times" nannte den Papst ebenfalls ein "leuchtendes Vorbild" und betonte, dass die katholische Kirche schon lange nicht mehr jener "repressive Monolith" sei, den seine Kritiker gern heraufbeschwörten. Und selbst Andrew Brown im "Guardian" betonte, dass Katholiken in England nicht mehr "das Andere" seien, "mal gewaltsame Terroristen und Rebellen", mal "schmutzige Immigranten".



Es sei eben nicht mehr "undenkbar", dass ein Papst in Westminster Hall stehe, um den heiligen Thomas Morus zu loben, der starb "um die Souveränität des Papstes gegen die des Königs (Heinrich VIII.) zu verteidigen."



Insgesamt war es offenbar ein guter Tag für die Ökumene, auch wenn es dem "öffentlichen Diskurs" nach Meinung der "Times" bei diesem Papstbesuch an "Ehrfurcht" fehle. Die Bezugnahme des Papstes auf den "atheistischen Extremismus" der Nazis sei so überflüssig gewesen wie die harschen Attacken der Demonstranten gegen seinen Besuch. Die "Daily Mail" bemerkt, die Verhaftung der sechs Terrorverdächtigen habe die "schrillen Proteste" in ein neues Licht gerückt: "Auf einmal schienen sie eher trivial."