EU-Kommissar Andris Piebalgs kämpft im Stillen für Entwicklungshilfe

Der unsichtbare Stratege

In den kommenden Tagen hat er seinen ersten großen Auftritt auf der weltpolitischen Bühne: Beim UN-Gipfel zu den Millenniumszielen wird EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs zeigen müssen, ob Europa sein Versprechen hält, die Welt gerechter zu machen.

Autor/in:
Tanja Tricarico
 (DR)

Rund 50 Milliarden Euro stehen Piebalgs bis 2013 für die Entwicklungshilfe zu. "Das ist nicht genug", ließ er vor Vertretern von Hilfswerken durchblicken. Von Kommissionspräsident José Manuel Barroso bekam er jetzt eine weitere Milliarde Euro zugesagt. Ein Erfolg für die beharrliche Arbeit des stillen Diplomaten. In New York wird er nicht mit leeren Händen da stehen.



Selbstdarsteller und Machthungrige sind auf Piebalgs Position nicht gefragt. Dem 52-Jährigen aus Lettland werden Besonnenheit, diplomatisches Geschick und Zurückhaltung nachgesagt. Bereits 2006 warb er als Energiekommissar im Hintergrund erfolgreich für neue Kompetenzen.



Das europäische Terrain ist Piebalgs bestens vertraut. Schließlich war er einer der Hauptverantwortlichen bei den Beitrittsverhandlungen Lettlands mit der Europäischen Union. Das politische Handwerk hatte er als Bildungs- und Finanzminister der liberal-konservativen Partei "Lettlands Weg" gelernt.



Neu sortierte Behörde

Seit Februar ist Piebalgs Entwicklungskomissar in Brüssel. Als er kam, wurden die Behörden neu sortiert. Erstmals gibt es ein eigenes Amt für humanitäre Hilfe, das die Bulgarin Kristalina Georgieva bekleidet. Mit Catherine Ashton als EU-Außenbeauftragter wollte die Europäische Union zudem in der Welt ein Zeichen setzen.



Dazu kommt jetzt der Europäische Diplomatische Außendienst. Von den rund 200 Mitarbeitern, die einst zum Stab der Entwicklungshilfe gehörten, werden etliche in den neuen Dienst wandern. Piebalgs spielt an allen Fronten mit und soll zur Schnittstelle der Ämter werden.



Was der Lette anpackt, zieht er durch. Der Physiker und ehemalige Schulrektor bereitet sich auf alle Veranstaltungen, auf jedes Treffen mit Experten, akribisch vor, heißt es. "Er hört uns zu und nimmt die Forderungen der Hilfswerke ernst," sagt Karine Sohet vom Dachverband der protestantischen Entwicklungsorganisationen. "Das war nicht bei allen Kommissaren der Fall."



Einer von Piebalgs Vorgängern, der Belgier Louis Michel, sorgte gerne bei seinen Besuchen in Kuba, Venezuela, Indonesien oder China für großes Medien-Echo und war nie um ein griffiges Zitat für Journalisten verlegen. Piebalgs dagegen scheut den großen Auftritt.

Bei Reden vor Staatsmännern im Ausland wirkt er fast spröde und distanziert. In Brüssel sieht man ihn wenig. Selbst bei Pressekonferenzen lässt er sich oft vertreten.



Stratege, der langfristig verändern will

Piebalgs ist ein Stratege, der langfristig verändern will. In seiner Heimat Lettland hat er die wirtschaftliche Denke des Aufbruchs erlebt. Er weiß, wie man Jobs schafft, Wohlstand mehrt. Doch in der Entwicklungshilfe stößt er an Grenzen. "Wir machen unseren Job okay", sagte Piebalgs nach den ersten 100 Tagen im neuen Amt. "Aber wir können es besser."



Neue Finanzkonzepte für Afrika stehen bei ihm ganz oben auf der Liste. Denn der Geldfluss stockt. 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen die reichen Mitgliedsstaaten bis 2015 für die Entwicklungshilfe aufwenden. Doch die wenigsten Länder liegen gut im Plan. Die Wirtschaftskrise wirft die Bemühungen um das 0,7-Prozent-Ziel zurück.



In der Entwicklungspolitik geht es aber auch um die Abstimmung mit den Ressorts Handel, Landwirtschaft, Forschung, Bildung und Arbeit. Bernd Nilles, Generalsekretär des internationalen Netzwerks katholischer Entwicklungsorganisationen, wünscht sich Piebalgs daher als Moderator: "Wir brauchen mehr Vernetzung."