Letzte Runde von Apg2010 im Stephansdom

Papierloser Dialog

Mit seiner Apostelgeschichte 2010 hat Kardinal Christoph Schönborn in Wien eine große Diskussion über die Kirche in der Krise und mögliche Lösungen losgetreten. Von Donnerstag bis Sonntag treffen sich im Stephansdom rund 1400 Delegierte zum großen Abschluss. Der Dom dient dabei als "Konzilsaula".

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Im Dialog durch die Krise - aber wie? Die deutschen Bischöfe wollen nach dem Missbrauchsskandal einen Weg gehen, wie ihn ihre österreichischen Amtsbrüder bereits in den 90er Jahren beschritten haben - mit damals unter dem Strich eher durchwachsenem Erfolg. Eines von mehreren Problemen war eine unterschiedliche Wahrnehmung der Notwendigkeit eines solchen Dialogs: unter den Bischöfen, aber auch in Rom.



Der fast zweijährige Prozess, an dem neben den kirchlichen Gruppierungen auch die politischen Parteien in Österreich und zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft teilnahmen, endete mit einer stattlichen papiernen Bestandsaufnahme der kirchlichen Lage - und, so heißt es, mit einem Bescheid aus dem Vatikan, doch nun auch einmal zum Ende zu kommen. Der Dialog verlief im Sande, so urteilen die einen. Andere, optimistischere Geister betonen, dass er trotzdem an vielen Stellen und auf ganz verschiedene Weisen weitergegangen sei.



Initiative im Schatten des Stephansdoms

Im Schatten des Stephansdoms und unter der Schirmherrschaft von Kardinal Christoph Schönborn hat die Erzdiözese Wien zuletzt die originelle Initiative "Apg2010" ausgerufen. Interessierte aus dem ganzen Bistum treffen sich zu vorerst drei Dialogrunden im Dom, der dafür zu einer regelrechten Konzilsaula umgestaltet wird. Von Donnerstag bis Samstag findet nun die einstweilen letzte dieser Runden statt.



Liturgisch umrahmt von Gebet und Gesang und bewusst zwanglos wird dort gesprochen, gefeiert und gebetet. "Wie es die Apostel damals gemacht haben", erläutert ein Teilnehmer: "Wenn es ein Problem gab, hat man sich zusammengehockt und nach einer Lösung gesucht." Papierfrei und begeistert soll die "Apostelgeschichte 2010" sein; kein McKinsey von außen, sondern ein eigener, "geistlicher Kick-off" für einen späteren, tiefergehenden Strukturprozess. Kritiker befürchten freilich, dass ohne eine verbindliche Fixierung der Ergebnisse und Selbstverpflichtungen zwar vielleicht die Identifikation mit dem Prozess steige - aber auch die Gefahr, dass ein jeder das heraushört, was er hören möchte.



Jesuit Klaus Mertes wird erwartet

Bei der zweiten Runde im März sollte ein Hauptreferent der Rektor des Berliner Jesuitengymnasiums Canisius-Kolleg, Klaus Mertes, sein.

Wegen der sich überschlagenden Ereignisse im Missbrauchsskandal musste er seine Teilnahme damals absagen - will aber offenbar diesmal umso mehr dabei sein.



Appell für eine von unten funktionierende Kirche

Einen wichtigen Part spielte im Frühjahr der Beitrag des Bonner Pfarrers Wolfgang Picken, der ein Plädoyer zu mehr Mut und Ideen angesichts von "Rotstift und konzept- und visionslosem Sparzwang" hielt. Mission, das sei für ihn vor allem der Aufbau von "lebendigen, zukunftsfähigen Gemeinden". Dabei müsse Kirche auch wieder neu lernen, konkrete potenzielle Partner um konkrete Dinge zu bitten. Letztlich also ein Appell für eine vor allem von unten funktionierende Kirche.



Dass das nicht einfach zu gestalten ist angesichts anhaltend negativer Nachrichten, verbreiteter Sprachlosigkeit und Sprachenverwirrung, bekommt vor allem die "Kirche von oben" zu spüren. Doch Kardinal Schönborn stellt sich bei der "Apg2010" - "auf Augenhöhe, mit Herzensnähe und mit Bodenhaftung", wie er selbst die Ansprüche der Veranstaltung charakterisiert. Und er macht damit Punkte.



Hoffen wider alle Hoffnung

Viele schwärmen von der Atmosphäre der Begegnung, der Vielfalt der Themen. Zwar lässt sich kaum wegdiskutieren, dass sich im Stephansdom vor allem jene zur Selbstvergewisserung treffen, die auf der einen Seite eines immer breiteren Grabens stehen. Von einem "professionellen Motivationsseminar in gehobener Atmosphäre" schrieb der Österreich-Korrespondent der deutschen "Tagespost" damals. Und wenn es das auch wäre: Schaden wird es denen, die sich in Wien weiter engagieren wollen, auf keinen Fall. Sperare contra spem (Hoffen wider alle Hoffnung), das hieß schon Paulus, ein Protagonist der Apostelgeschichte, gut - in seinem Brief an die Römer.