Seit den 60er Jahren ringt die Kirche mit der Kondom-Frage

Weltweit heftige Kontroversen

Die Äußerungen von Papst Benedikt XVI. zu Kondomen haben die Frage aufgeworfen, ob sich damit ein Wandel in der katholischen Lehre zur Empfängnisverhütung abzeichnet. Seit den 1960er Jahren ringt die Kirche um die Formulierung einer Sexualmoral.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Vor dem Hintergrund des weltweiten Bevölkerungswachstums setzte Papst Johannes XXIII. bereits 1963 eine Studienkommission ein, die sich mit Fragen der Geburtenregelung befasste. Sie kam nach dreijährigen Beratungen mehrheitlich zu dem Urteil, dass Empfängnisverhütung an sich nicht sittlich verwerflich sei.



Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) äußerte sich zwar nicht direkt zum Thema Empfängnisverhütung, betonte aber in der 1965 verabschiedeten Konstitution "Gaudium et Spes", dass die persönliche Gewissensentscheidung der Eheleute für eine verantwortbare Kinderzahl eine Pflicht sei.



Ähnlich sah das auch die Mehrheit der Bischofskommission, die Papst Paul VI. berief: Sie sprach sich dafür aus, die Methode der Empfängnisregelung den Ehepaaren zu überlassen. Doch der Papst übernahm in seiner 1968 veröffentlichten Enzyklika "Humanae vitae" die Position, die die Minderheit in dieser Kommission formuliert hatte: Er bestimmte, dass "jeder eheliche Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben" müsse. Deshalb lehnt die Enzyklika alle Formen der künstlichen Empfängnisverhütung wie Kondome oder die Pille ab und sieht nur natürliche Methoden der Verhütung wie die Temperatur- oder Zyklusmethode als moralisch vertretbar an.



Weltweit heftige Kontroversen

Dies löste weltweit heftige Kontroversen aus. Auch unter kirchentreuen Katholiken ist nach den Worten des Freiburger Moraltheologen Eberhard Schockenhoff die Distanz zur kirchlichen Sexualethik in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen. Um jenen Katholiken einen Weg zu öffnen, die über die Wahl der Verhütungsmittel selbst entscheiden wollen, verabschiedeten die deutschen Bischöfe als Ergänzung zu "Humanae vitae" 1968 die "Königsteiner Erklärung".



"Wer glaubt", so hieß der entscheidende Satz in dem Bischofswort, "in seiner privaten Theorie und Praxis von einer nicht unfehlbaren Lehre des kirchlichen Amtes abweichen zu dürfen (...), muss sich nüchtern und selbstkritisch in seinem Gewissen fragen, ob er dies vor Gott verantworten kann." Damit hatten die deutschen Oberhirten eine von der Enzyklika abweichende verantwortliche Gewissensentscheidung zur Empfängnisverhütung für prinzipiell zulässig erklärt.



HIV und Aids als neue Fragestellung  

Durch HIV und Aids stellte sich die Frage des Kondomgebrauchs für die Kirche noch einmal ganz neu: Seitdem stehen nicht mehr nur die Familienplanung, sondern auch der Schutz der Gesundheit und der Kampf gegen die Ausbreitung der Seuche auf der anderen Seite der Waagschale.



Bislang blieb die Kirche allerdings auch hier beim strengen Nein zum Kondom: Im Jahr 2000 zog die Brasilianische Bischofskonferenz auf Drängen Roms eine Empfehlung zurück, auch Kondome im Kampf gegen Aids zuzulassen. Die Pastoralkommission für Gesundheit der brasilianischen Bischöfe hatte Präservative kurz zuvor als "geringeres Übel" bezeichnet und ihren Gebrauch für Risikogruppen, etwa Drogenabhängige, empfohlen.



Mitte des vergangenen Jahrzehnts stellten auch führende Vatikanvertreter das Kondomverbot mit Blick auf Aids in Frage. 2005 sagte der für Gesundheitsfragen zuständige Kurienkardinal Javier Lozano Barragan, eine Frau könne von ihrem HIV-infizierten Ehemann den Gebrauch des Kondoms beim ehelichen Geschlechtsverkehr verlangen, um sich selbst zu schützen. Das gehöre zum Recht auf Selbstverteidigung.



Und wenig später erklärte auch der Päpstliche Haustheologe Georges Cottier: "In besonderen Situationen, etwa im Drogenmilieu oder dort, wo eine verbreitete Promiskuität mit großem Elend einhergeht, (...) kann Kondomgebrauch für legitim gehalten werden." Zugleich betonten beide allerdings, dass dies kein Ja zu einer generellen Erlaubnis von Kondomen bedeute: Der verbreitete Einsatz von Kondomen fördere die sexuelle Schrankenlosigkeit, die ihrerseits zur Ausbreitung von Aids beitrage. Die besten Methoden gegen diese Epidemie blieben Keuschheit und die Erziehung zu einem verantwortlichen Verhalten.



Nach Lozano Barragans Äußerungen wurde eine Prüfung der schwierigen Frage bei der Römischen Glaubenskongregation in Auftrag gegeben. Nun hat der Papst persönlich eine differenzierte Antwort zum Thema gegeben.