Zum Tod der schreibenden Nonne Silja Walter

Und trotzdem singen...

Silja Walter, Schweizer Ordensfrau und Lyrikerin, ist tot. Sie starb am Montag im Alter von 91 Jahren. Die Tochter einer Verlegerfamilie gehörte knapp 62 Jahre dem Benediktinerorden an und war seit vielen Jahren eine der renommiertesten Schweizer Schriftstellerinnen.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Ein Leben der Gottsuche, eine Ahnung der Gottesbegegnung, ein Leben für die Literatur. "Ich will und muss wissen, was mit mir ist, mit meiner Sinn- beziehungsweise meiner Gott-Suche", so begründete Silja Walter zu ihrem 90. Geburtstag 2009 ihr Schreiben. In zahlreichen Büchern berichtete sie von dieser Suche.



Silja Walter war Nonne - und die bekannteste Lyrikerin der Schweiz.  Ihr erster Gedichtband erschien vor 67 Jahren. Und gut 62 Jahre lebte sie als Schwester Maria Hedwig hinter den Mauern von Kloster Fahr vor den Türen Zürichs.



Nonne im strengen Kloster und Schriftstellerin? Das war für Silja Walter ein Zusammenspiel: "Das eine stört das andere nicht. In dem Maße, wie ich kontemplativ lebe, kann ich schöpferisch sein." Silja Walter war kaum mit wenigen Attributen zu beschreiben. Sie war eine über ihr Land hinaus renommierte Schriftstellerin und Dichterin. Ihr literarisches Werk - Lyrik, Prosa, Theaterstücke, geistliche Texte, Meditationen - verschaffte ihr weltweite Anerkennung und manche Ehrung im Literatur- und Kulturbetrieb.



Leben in Zwiesprache mit Gott

Als sich die ausgebildete Grundschullehrerin, als zweites von neun Kindern in der großbürgerlichen Verlegerfamilie Walter aufgewachsen, 1948 für ein Leben im Kloster entschied, trauerten manche um ein großes Schreibtalent. Doch schon bald setzte sie ihr junges Werk fort und schrieb weiter.



"Herr,/und jemand muss dich aushalten,/dich ertragen,/ohne davonzulaufen./Deine Abwesenheit aushalten/ohne an deinem Kommen/zu zweifeln./Dein Schweigen aushalten/ und trotzdem singen./Dein Leiden, deinen Tod/mitaushalten/und daraus leben...", schrieb sie in ihrem "Gebet des Klosters am Rande der Stadt".



Sie lebte in Zwiesprache mit Gott in einem traditionsreichen Konvent, suchte Gott, rang mit ihm. In moderner Literatur, auch in zeitgeistigen Werken, ist so oft von Mystik die Rede. Silja Walter war wahrlich Mystikerin. Ein früher Morgen im Spätsommer 1948, im Wallis nahe Zermatt, wurde für die junge Lehrerin zur Lebenswende.  Eine "Präsenzerfahrung", ein "Tag der Verklärung", sagte sie Jahrzehnte später, wenn sie, noch beim Rückblick zitternd, erzählte. Keine Frage des Verstandes, sondern "Gott ist als Geheimnis über einem". Seitdem gehörte für sie Gott untrennbar zu ihrer Person. Rasch reifte der Entschluss, Ordensfrau zu werden. Der Weg führte nach Fahr. Und noch als über 90-Jährige berichtete sie - gerne jungen Leuten - von ihrem Weg mit Gott.



"Einzelgängerin als Nonne"

Sie sei "Einzelgängerin als Nonne", sagte sie einmal, keiner literarischen Szene zuzuordnen. Seit Jahren liegen ihre Werke in einer Gesamtausgabe vor, zehn dicke Bände. Die große Mehrzahl der Bücher hat prosatypische Titel: "Der Wolkenbaum", "Die Jahrhundert-Treppe", "Feuerturm". Es gab auch mal "Drei Wienachtsgschichten uf Züritüütsch". Zum 90. Geburtstag 2009 erschien "Das dreifarbene Meer - Meine Heilsgeschichte - Eine Biografie".



Bei allen Unterschieden in den Formen ihres Gesamtwerkes: Wie ein roter Faden ziehen sich durch das Schaffen von Silja Walter die Themen Gottsuche und Würde des Menschen. Bereits 1977 lobte die Weltwoche: "Wie niemand sonst schafft Silja Walter im Einklang mit ihrem Bekenntnis Werke, die literarisch auf der Höhe unserer Zeit stehen." Trotz aller Strenge des Klosters spürte Schwester Hedwig, was die Menschen "draußen" bewegt. "Man trägt die ganze Welt, die ganze Schöpfung mit sich." Stimmungen und Zeitgeist berührten die Ordensfrau.



Wiederholt thematisierte sie die Not von Flüchtlingen, immer wieder die Sinnsuche der Jugend. Zum 90. Geburtstag ehrten sie der damalige Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Kurt Koch, und der benediktinische Abtprimas Notker Wolf mit Besuchen. Aber vor allem war die Ordensfrau stolz auf viele jugendliche Gäste zum Fest.