Bischöfe schalten sich in Zölibatsdebatte ein

Zu kurz gegriffen

Die neuerliche Debatte über den Zölibat greift nach Auffassung des Münchner Kardinals Reinhard Marx zu kurz. Es gehe nicht nur um die Frage, wie die Kirche mehr Personal bekomme. Auch Bischof Hanke verteidigte, es gehe nicht nur um einen Priestermangel, sondern auch um andere "Mangelerscheinungen" im kirchlichen Leben.

 (DR)

Es gelte zu entdecken, was das Zeichen der Ganzhingabe zu bedeuten habe, sagte Kardinal Marx beim Gottesdienst zum Feiertag Darstellung des Herrn im Liebfrauendom. Jesus habe damit "in körperlicher, sichtbarer Weise und nicht nur innerlich als Idee" ausdrücken wollen, dass Gott die Liebe sei, betonte der Kardinal. Es gelte, dieses Zeichen als kostbare Gabe an die ganze Kirche wertzuschätzen "und nicht den Priestern und Ordensleuten einzureden, dass sie verrückt sind".



Wer allein lebe, brauche Unterstützung

Marx räumte ein, dass es auch schwer sein könne, den Zölibat zu leben. "Eine solche Lebensweise ist manchmal prekär." Gerade weil es ein so großes Zeichen sei, könne man tief fallen. Vor allem, wer allein lebe, sei gefährdet und brauche Unterstützung. Dazu zählten Exerzitien, geistliche Erneuerung, Disziplin, kultureller Austausch, Freundschaft und Verlässlichkeit. "Wir beten darum, dass uns dieses Zeichen immer wieder geschenkt wird", sagte der Erzbischof. "Und natürlich sollen wir auch denen beistehen, die manchmal an dieser Anforderung zerbrechen."



Der Priestermangel muss nach Auffassung des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke auf einer Linie gesehen werden mit anderen Mangelerscheinungen des kirchlichen Lebens in Deutschland und Europa. Im Eichstätter Dom verwies der Bischof auf  Phänomene wie den Mangel an sakramentalen Eheschließungen und den Mangel an Familien, bei denen der christliche Glaube noch eine wichtige Rolle im Zusammenleben spielt. "Wir sehen uns einem Gläubigenmangel gegenüber in unseren Pfarrgemeinden und in unseren Gottesdiensten, einem Mangel an Gebetspraxis im täglichen Leben. Und nicht zuletzt leiden wir am Mangel an Glaubensfreude".



Keine "Satzungsänderung"

Deshalb sei eine Behebung des Priestermangels nicht durch die Aufhebung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt und die Aufhebung der Zölibatsverpflichtung für Priester zu erreichen. "Statt schnelle administrative Veränderungen im Sinne der Satzungsänderung eines Vereins zu fordern, sollten wir den Priestermangel im Kontext der anderen Mangelerscheinungen sehen, die wie ein roter Faden zur Wurzel des eigentlichen Problems führen: Mangel statt Fruchtbarkeit."



Um die gegenwärtigen Mängel zu beheben, brauche es "Familien, in denen Gott und das Glaubensleben eine Rolle spielt, Menschen, die ein großherziges Ja sagen wollen zum Anruf Gottes an sie in die engere Nachfolge, Christen, die ihren Besitz mit Armen teilen, Gläubige, die sich nach Vergebung und Verwandlung sehnen, Frauen und Männer, die eine tiefe Freude an Gott und am Mitmenschen in ihrem Herzen erfahren". Die aktuelle Lage der Kirche sei kein Grund zu jammern oder sich nur noch in frommen Meditationen zu ergehen: "Nehmen wir das Zeichen der brennenden Kerze in der Hand als Auftrag. Wenn sich jeder von uns einen Bereich in seinem Leben wählt, um diesen mehr als bisher dem Lichte Christi auszusetzen, dann dienen wir der Fruchtbarkeit der Kirche".



Kardinal Lehmann kritisiert Tonfall in der Zölibatsdebatte

Zuvor hatte der Mainzer Kardinal Karl Lehmann den Tonfall in der Zölibatsdebatte kritisiert. Er sprach von einer "doppelten Dialogunfähigkeit". Manche Kommentatoren hätten kirchlichen Amtsträgern pauschal eine Unfähigkeit zur Erneuerung vorgeworfen, kritisiert Lehmann in einem Beitrag für seine Bistumszeitung "Glaube und Leben". Zugleich schämt sich der langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz nach eigenem Bekunden für den Ton, den der frühere Präsident der Historischen Kommission des Vatikan, Kardinal Walter Brandmüller, in seinem Brief gegen die Stellungnahme angeschlagen habe.

Man müsse nicht gleich eine andere Kirche wollen, wenn das Thema einer Zulassung verheirateter, bewährter Männer zur Priesterweihe angesprochen werde, betont Lehmann. Vor allem aber sei er zutiefst enttäuscht darüber, wie in Brandmüllers Brief der amtierende Bundestagspräsident und damit die nach dem Bundespräsidenten zweithöchste Autorität in der Bundesrepublik, eine amtierende Bundesministerin und drei hochverdiente Ministerpräsidenten, die sich seit Jahrzehnten für ihre Kirche einsetzten, behandelt würden. "Dies ist in unserem Land nicht der Stil, mit dem wir auch bei Meinungsverschiedenheiten miteinander umgehen"´, so Lehmann.

Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann bemängelte, die gegenwärtige Zölibatsdebatte stelle alle bisherigen Auseinandersetzungen in den Schatten. Unterschiedliche Gruppen innerhalb und auch außerhalb der Kirche meldeten sich derzeit zu Wort und forderten eine Aufhebung des Zölibats. Die Ehelosigkeit von Priestern sei aber ein großer Segen, ein "Schatz". Nicht die Abschaffung des Zeichens der Ganzhingabe sei die Lösung, sondern das Gegenteil: "Glaubwürdig gelebte Hingabe ist der beste Weg, die Glaubensnot der Mitmenschen zu überwinden."



Anlass war eine Stellungnahme namhafter katholischer CDU-Politiker

Anlass für die aktuelle Debatte ist eine Stellungnahme namhafter katholischer CDU-Politiker zu einer Lockerung des Zölibats. Zu den Unterzeichnern gehören Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesbildungsministerin Annette Schavan und die früheren Länder-Regierungschefs Bernhard Vogel, Erwin Teufel und Dieter Althaus. Sie ist als Bitte an die deutschen Bischöfe formuliert und trägt die Überschrift "Wie dem zunehmenden Priestermangel begegnet werden kann".