Christen im Libanon stehen für Tradition und Nationalbewusstsein

Söhne Marons

Für die weltweit mehreren Millionen Maroniten, von denen noch knapp eine Million im Ursprungsland Libanon lebt, steht ihr Nationalpatron Maron für eineinhalb Jahrtausende christlicher Tradition, für die Treue zum katholischen Glauben und für nationale Identität.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Nachrichten über die historische Mönchsgestalt Maron sind spärlich: Laut einer Notiz des Kirchenvaters Theodoret von Kyros (393-458/460) siedelte er um die Wende zum 5. Jahrhundert nahe der antiken Stadt Cyrrhos - heute ein Ruinenfeld an der türkisch-syrischen Grenze - in einem aufgelassenen heidnischen Tempel. Bei Zeitgenossen gewann er den Ruf eines außerordentlichen Asketen und Wundertäters. Der gefeierte Prediger und Theologe Johannes Chrysostomus (349/344-407) sandte ihm einen Brief voller Bewunderung mit der Bitte um das Gebet des Gottesmannes. Ein kleines Licht war Maron offenbar nicht - auch wenn keine einzige Zeile von ihm erhalten ist.



Seine Wirkung war enorm: Marons Schüler missionierten im libanesischen Bergland und gründeten Einsiedeleien im Wadi Qadisha, dem "Heiligen Tal" des Libanon. Es war eine Zeit der dogmatischen

Gärung: Kirchenmänner rangen um eine Beschreibung des Wesens Jesu Christi in philosophischen Begriffen. In den Auseinandersetzungen um das Konzil von Chalzedon (451) stellten sich die Anhänger Marons hinter die Theologie des byzantinischen Kaiserhofs und gegen ihre syrischen Nachbarkirchen. Eine Wegscheide war erreicht, als sie um 686 den Gelehrten Johannes Maron zu ihrem ersten Patriarchen wählten.



Vorfahren in Felsennestern

Bis heute berufen sich Maroniten stolz auf den Ursprung in der monastischen Abgrenzungsbewegung und auf die starrnackige Art, mit der sich ihre Vorfahren in Felsennestern verschanzten, statt sich einer religiösen Mehrheit anzupassen. Ins historische Bewusstsein eingegraben hat sich auch die Episode, wie im 7. Jahrhundert muslimische Herrscher byzantinische Söldner zu Hilfe riefen, um die renitenten Gebirgler zu unterwerfen. Mehr als alle dogmatischen Streitigkeiten bewirkte dies den Bruch mit der Reichskirche in Konstantinopel.



Traditionell fühlen sich die Maroniten daher als Bündnispartner Roms und Wahrer der Rechtgläubigkeit in der Levante. Die Päpste schätzten ihre Loyalität. Lange bevor es Unionen mit romtreuen Gruppierungen der Orthodoxie gab, galten die Maroniten als gut katholisch.

Paschalis II. (1099-1118) sandte seinem maronitischen Kollegen Yousef el Gergess Krone und Stab als Anerkennung seiner Patriarchenwürde. Das war 1100; kurz zuvor hatten maronitische Christen die Kreuzritter nach Jerusalem geleitet.



Die frühe Neuzeit hindurch blieben das päpstliche Italien und der christliche Libanon eng verbunden: 1584 entstand in Rom ein maronitisches Priesterkolleg, umgekehrt verhalfen Kapuziner und Jesuiten den Maroniten zur Bildungselite im Nahen Osten. Als es um die moderne Staatswerdung ging, optierten die Maroniten ganz aufgeklärt für religiöse Vielfalt unter einem nationalen Dach - damals allerdings noch als solide christliche Mehrheit.



Permanenter Schwund

Seit 60 Jahren verzeichnen die Maroniten einen permanenten Schwund in ihrem Stammland. Inzwischen stellen sie etwa 21 Prozent - gegenüber je 27 Prozent Sunniten und Schiiten, 8 Prozent Griechisch-Orthodoxen, 5 Prozent Drusen, 5 Prozent Griechisch-Katholischen. Die Abwanderung junger, gut ausgebildeter maronitischer Christen und ein steigender sozialer Druck durch Muslime sorgt die Kirchenleitung.



Noch gilt der Verfassungsgrundsatz, der das Amt des Staatspräsidenten fest einem Maroniten zuspricht. Der nun im Alter von 90 Jahren zurückgetretene Patriarch Nasrallah Sfeir genoss Autorität über alle religiösen und politischen Grenzen hinweg. Jeder Nachfolger wird es schwer haben, seinen Intellekt und seinen Einfluss zu erreichen.