BAP-Chef Wolfgang Niedecken im Interview

"Ich durfte meine Träumen leben"

2011 ist ein bewegtes Jahr für BAP-Chef-Wolfgang Niedecken. Am 30. März wird der Kölner 60 Jahre alt. Gerade erschien das neue BAP-Album "Halv su wild", bereits seit einigen Tagen ist auch die Autobiografie "Für 'ne Moment" auf dem Markt. Gleichzeitig wird BAP 35 Jahre alt.

 (DR)

dapd: Sie haben gleichzeitig an dem neuen BAP-Album und an Ihrer Autobiografie gearbeitet. Man hat den Eindruck, dass beide Werke miteinander vernetzt sind.

Niedecken: Ja, unbedingt. Noch nie zuvor hatte ich eine Phase von zwei Jahren, in der ich mein Leben Revue passieren lassen konnte. Ich war ja auch noch nie so alt wie heute - auch wenn ich mich schon mal deutlich älter gefühlt habe. In diesen zwei Jahren ist auch vieles noch mal nach oben gekehrt worden. Das Buch ist ja keine chronologische Biografie geworden, es ist auch keine "höher, schöner, weiter!", wo es von einem Erfolg zu nächsten geht. Solche Biografien interessieren mich nicht. Es ging mir darum, die Gefühle und Momente aufzuschreiben, die mir in den sechs Jahrzehnten wichtig war. Ich wollte auch kein Rechthaber-Buch, kein Angeber- oder "Jetzt-packt-er-aus"-Buch haben, so etwas finde ich lächerlich.



dapd: Sie sind der Letzte aus der Ur-Besetzung von BAP. Hat es in den 35 Jahren Momente gegeben, wo Sie daran dachten, BAP aufzugeben?

Niedecken: Das war nie der Fall. Ich habe in der Band für meine Richtung gekämpft, mal stärker und mal habe ich die Leinen vielleicht zu locker gelassen - aber das ist nun mal so. Letztlich ist es egal, ob man mit anderen Leuten eine Bäckerei betreibt oder eine Rockband - man muss miteinander klarkommen. Kurz vor dem Ende habe ich BAP nie gesehen.



dapd: "Verdamp lang her", das wohl bekannteste Lied von BAP, haben Sie mit Anfang 30 geschrieben. Es ist eine durchaus bittere Auseinandersetzung mit ihrem Vater, zu dem Sie irgendwann den Zugang verloren hatten. In ihrer Autobiografie zeichnen Sie ihren Vater jetzt deutlich milder....

Niedecken: Wir werden alle älter, und wir alle haben ein Verhältnis zu unseren Vätern, das wir auch immer wieder mal revidieren müssen. Mit den Jahren findet man einen immer besseren Zugang zu der Gedankenwelt dieser für uns damals "alten Männer". Das ist auch gut so, man wird ja selbst auch gelassener. Diese Gelassenheit braucht man auch für die jüngere Generation, die nachwächst und jetzt uns infrage stellt.



dapd: Und wie lautet die Zwischenbilanz Ihres Lebens, jetzt mit 60?

Niedecken: Ich lebe sehr bewusst mit der Tatsache, dass ich unglaubliches Glück gehabt habe. Ich lebe seit fast fünf Jahrzehnten die Träume, die ich als 15-Jähriger gehabt habe. Wer kann das schon von sich behaupten? Deshalb schreckt mich der 60. Geburtstag auch nicht, genauso wenig wie die Geburtstage, die da hoffentlich noch kommen. Das Bedrückende am älter werden ist, dass die Einschläge näher kommen. Man verliert Menschen, die einem wichtig sind, und das macht einen schon sehr nachdenklich.