Den entscheidenden Satz spricht der Mann mit dem langen weißen Gewand und dem ungestutzten Bart nach exakt 38 Minuten und 50 Sekunden: "Der Islam ist mit der Demokratie nicht kompatibel."
Abdur Raheem Green, so heißt der Prediger, blickt in die Gesichter seiner Zuhörer und schweigt für einen Moment. Er hat lange auf diesen Satz hingearbeitet, hat den Begriff der Demokratie als Herrschaft des Volkes mit "von Menschen gemachten Gesetzen" definiert, den Islam dagegen als die bedingungslose und ausschließliche Unterwerfung unter die Gesetze Allahs. Nun soll sich die Schlussfolgerung, dass beides nicht zueinander passen kann, in den Köpfen seiner Zuhörer festsetzen.
Green gilt als einer der weltweit profiliertesten Prediger der fundamentalistischen Bewegung des Salafismus. Über die Unvereinbarkeit von Demokratie und Islam sprach er zuletzt vor mehreren tausend Menschen in Indien. Nun will er seine Ansichten auch den deutschen Muslimen vermitteln: Bei einem Auftritt am 29. Mai in der Nähe von Koblenz.
Prediger rechtfertigt Steinigung bei Ehebruch
Der Saal - welcher es sein wird, halten die Veranstalter noch geheim - wird wohl voll werden. Denn an Greens Seite gibt sich der in der deutschen salafistischen Szene zu einer Art Superstar aufgestiegene Vorbeter Pierre Vogel die Ehre. Wie der in Tansania geborene Brite Green ist auch Vogel ein Konvertit.
Die Grundzüge der salafistischen Ideologie hat der 32 Jahre alte Rheinländer, der gelegentlich auch unter dem Namen Abu Hamza auftritt, voll verinnerlicht: Allah und der Koran haben trotz aller dort gelegentlich zu findenden Grausamkeiten immer Recht, Neuerungen der islamischen Religionsgeschichte sind abzulehnen. Zu viel Integration in die angeblich verdorbene westliche Gesellschaft mit Homosexuellen, emanzipierten Frauen und Drogen schadet nur.
Wie ein "rechtgeleiteter" Muslim sein sollte, vermittelt der einstige Boxer wie kein anderer deutscher Salafisten-Prediger. Mit dem roten Rauschebart und dem Szene-typischen weißen Gewand sieht er fast zum Knuddeln aus. Seine Zuhörer umarmt er im übertragenen und gerne auch im wörtlichen Sinne als "meine Brüder". Wenn es darauf ankommt, kann er aber auch laut werden: "Wenn Sie, Frau Merkel, oder auch ihr Verantwortungslosen vom Verfassungsschutz (...) heute sterbt, ohne den Islam angenommen zu haben (...), dann werdet Ihr danach für alle Ewigkeiten in die Hölle gehen."
Mit "Allahu Akbar" die Massen aufpeitschen
Vogel will Wissen und Überlegenheit demonstrieren. In seine Vorträge streut er deshalb Rezitationen aus dem Koran und arabische Floskeln ein. Wenn er die Massen aufpeitschen will, schreit er aber auch gerne mal ein kräftiges "Allahu Akbar" ins Mikrofon. Er ist der Junge von nebenan, bodenständig, einer, der "seine Religion gelernt hat", aber nicht allzu geschwollen daher redet - einer fürs gemeine Volk.
Mit Abdur Raheem Green hat sich Vogel für den Auftritt in Koblenz dagegen einen Fundamentalisten eingeladen, dessen Vorträge fast schon philosophisch wirken. Der Islam ist für den 46-Jährigen mehr als eine Frage des Glaubens. Green meint, die Existenz Allahs beweisen zu können. Damit füllt er weltweit große Säle.
Green argumentiert fundamentalistisch, versteht es im Rahmen seiner radikalen Auslegung des Koran aber auch zu differenzieren. Vieles in den westlichen Staaten sei problemlos mit dem Islam - so wie er ihn versteht - vereinbar. Letztlich bestehe aber kein Zweifel, dass "Muslime Allahs Scharia in ihren persönlichen Leben implementieren müssen". Das Leben in einem westlichen Staat mache einen Muslim noch zwar nicht zum Ungläubigen. Nach Gesetzen zu leben, die denen der Scharia widersprächen, sei aber eine klare Sünde.
Strikte Koran-Interpretation als Provokation
Pierre Vogel mag solche Sowohl-als-Auch-Argumentationen. Weniger analytisch und gröber im Tonfall als sein britischer Bruder im Geiste, gefällt er sich darin, erst mit seiner strikten Koran-Interpretation zu provozieren - um Journalisten, Politikern und Talkmastern anschließend zu erklären, dass sich deswegen aber niemand aufregen müsse.
Steinigung bei Ehebruch? Natürlich, das sind schließlich Allahs Gesetze! Aber: In der deutschen Realität könne es dazu doch gar nicht kommen. Ein Scharia-Gericht könne es schließlich nur in einem "islamischen" Land geben. Außerdem müssten zur Vollstreckung der Strafe vier Zeugen den ehebrecherischen Akt mit eigenen Augen bezeugen. Und das sei - gerne setzt Vogel an dieser Stelle sein schelmisches Lächeln auf - ja wohl eher selten der Fall.
Wie lange Vogel mit solch windigen Aussagen noch durchkommt, hängt auch vom nordrhein-westfälischen Innenministerium ab. Wegen des Verdachts verfassungsfeindlicher Bestrebungen prüft die Behörde, die ihm zugehörige Gruppe "Einladung zum Paradies" zu verbieten. Immerhin: Terrorakte in westlichen Ländern hat Vogel immer eindeutig abgelehnt. Zum bewaffneten "Heiligen Krieg" in mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern wie Afghanistan schweigt er dagegen oder äußert sich mehrdeutig. Mit seiner Einladung des Predigers Abdur Raheem Green könnte er versuchen, von der Popularität und der analytischen Schärfe des britischen Fundamentalisten zu profitieren.
Pierre Vogel gilt als Star des deutschen Salafismus
Kampf für die Scharia
Vorbeter Pierre Vogel ist überzeugt, dass das islamische Rechtssystem, die Scharia, "von Menschen gemachten Gesetzen" überlegen ist: "Wenn Allah befiehlt, dass ein verheirateter Ehebrecher und eine Ehebrecherin gesteinigt werden, dann ist das richtig, dass derjenige, der diesen Befehl bekommen hat, wie der Prophet Mohammed, dass er es macht."
Share on