Weihbischof Jaschke zur Tötung bin Ladens - Vatikan sieht keinen Grund zur Freude

"Fanal für ein Ende der Gewalt"

Der Tod von Osama bin Laden ist nach Ansicht des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke ein Fanal für das Ende von Terror und Gewalt im Namen Gottes. "Osama bin Laden ist ein Opfer der Schrecken und der Saat der Gewalt geworden, die er über ungezählte Unschuldige gebracht hat", sagte Jaschke in Hamburg. Wie auch der Vatikan und der evangelische Friedensbeauftrage warnt Jaschke jedoch vor Schadenfreude und Triumphgefühlen.

 (DR)

Christen und Muslime müssten sich darüber einig sein, dass ein solcher Missbrauch des Namens Gottes die Religion beschädige und schließlich ihren Tod bedeute. "Nur ein friedliches Zusammenleben und der Dialog bringt uns weiter", so Jaschke, der auch Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für den Dialog mit den Muslimen ist.



Zu einem Klima des Misstrauens, das viele Muslime seit den Anschlägen des 11. September 2001 gegenüber dem Islam beklagen, sagte Jaschke: "Christen lassen es nicht zu, dass ein Generalverdacht über Muslime in unserem Land und weltweit ausgesprochen wird." Als Bischöflicher Beauftragter für den Dialog mit den Muslimen mache er viele gute Erfahrungen. "Wir sprechen miteinander und spüren, dass wir Vertrauen zueinander haben dürfen." Diese Entwicklungen dürften nicht gestört werden.



Schadenfreude und Triumphgefühle nicht angebracht

Er selber habe den 11. September als einen Tag des Schreckens in Erinnerung, sagte der Hamburger Weihbischof. Die Bilder im Fernsehen, die Nachrichten, hätten eine Weltuntergangsangst geweckt.

"Besonders bitter war zu hören, dass einer der Hauptattentäter, Muhammed Atta, unter uns in Hamburg gelebt und sich ganz in der Nähe von mir in der Moschee auf dem Steindamm auf das Attentat vorbereitet hat."



Zu den Reaktionen auf die Ermordung des El-Kaida-Chefs sagte Jaschke: "Viele mögen Erleichterung über den Tod von bin Laden empfinden, Schadenfreude und Triumphgefühle sind nicht angebracht." Er empfinde für den Menschen Osama bin Laden Trauer. "Gott möge ihm in all seinen Verirrungen gnädig sein." Nur ein Weg der Verständigung auch mit El Kaida könne wirklich weiterführen.



Vatikan: Kein Grund zur Freude

Der Vatikan hofft, dass bin Ladens Tod nicht weitere Hassausbrüche auslöst. Bin Laden trage schwerste Verantwortung für Spaltungen und Hass zwischen den Völkern, die den Tod zahlloser Menschen verursacht hätten, erklärte Vatikansprecher Federico Lombardi am Montagmorgen. Er habe die Religion für seine Zwecke instrumentalisiert. Dennoch sei der Tod eines Menschen für einen Christen niemals Grund zur Freude. Vielmehr gelte es, über die große Verantwortung eines jeden vor Gott und den Mitmenschen nachzudenken, so der Vatikansprecher.



Die Deutsche Bischofskonferenz sieht wie der Vatikan in der Tötung von Terrorführer Osama bin Laden keinen Grund zur Freude. "Wir schließen uns da den Äußerungen von Vatikan-Sprecher Federico Lombardi an", sagte eine Sprecherin der Bischofskonferenz am Dienstag in Bonn.



Der Tod des Terroristenführers Osama bin Laden kann auch nach Auffassung des Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, kein Grund zur Freude sein. "Ich würde es nicht mal als Erfolg bezeichnen", sagte der leitende Bremer Theologe am Montag in einem epd-Gespräch. Es sei immer richtig gewesen, Bin Laden zur Rechenschaft ziehen zu wollen, betonte Brahms.Dies könne aber nur mit rechtsstaatlichen Mitteln geschehen.



Den Kopf des Terrornetzes Al Kaida gefangen zu nehmen und vor den Internationalen Gerichtshof zu stellen, wäre der richtige Weg gewesen, sagte Brahms: "Es kann nicht die erste Absicht sein zu töten." Wenn er im Feuergefecht getötet worden sei, "ist das kein Grund zum Feiern". Bin Laden war bei einer Kommando-Aktion amerikanischer Spezialkräfte in Pakistan ums Leben gekommen. Jubelnde Menschen feierten daraufhin seinen Tod auf den Straßen der amerikanischen Hauptstadt Washington.



"Da ist kein Platz für Rachegefühle", sagte Brahms. Er könne zwar die Gefühle der Angehörigen jener Opfer verstehen, die bei den Terroranschlägen im September 2001 in New York getötet worden seien. "Für Rache gibt es keine theologische Rechtfertigung", sagte der evangelische Theologe.



Brahms begrüßte die Aussage von US-Präsident Barak Obama, dass die Kommando-Aktion nicht gegen den Islam, sondern gegen einen falschen Propheten gerichtet gewesen sei. "Muslim zu sein heißt im wörtlichen Sinn, für den Frieden zu sein", bekräftigte Brahms.



Nach der Mitteilung vom Tod des Al-Kaida-Führers hat die US-Regierung ihre Staatsangehörigen im Ausland vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen gewarnt und ihre Botschaften weltweit in Alarmbereitschaft versetzt. Brahms sagte, die Welt sei jetzt weder friedvoller noch sicherer geworden. "Damit ist weder der Terrorismus verschwunden noch Al Kaida", sagte er. Wichtig sei, in diesem Zusammenhang nach den Wurzeln des Terrorismus zu fragen, zu denen ein Missbrauch der Religionen und eine ungerechte Weltwirtschaftsordnung gehörten.



Auch Muslime erleichert

Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland (KRM) hat mit Erleichterung und Überraschung auf den Tod von Terroristenführer Osama bin Laden reagiert. Denn viele Muslime hätten ihn längst für tot erklärt, sagte der derzeitige KRM-Sprecher Aiman Mazyek am Montag in Köln auf Anfrage. Allerdings mache die US-Kommandoaktion gegen das pakistanische Versteck bin Ladens einen Prozess gegen den Chef des Terrornetzwerks El Kaida unmöglich. "Die Angehörigen der Terroropfer vom 11. September 2001 hätten so den Tätern gegenübersitzen können", so Mazyek, der auch Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) ist.



Zugleich erinnerte er daran, dass die meisten Opfer der Terroranschläge selbst Muslime seien. Als intelligente Entscheidung der Amerikaner bezeichnete Mazyek die offenbar rasche Seebestattung bin Ladens. So werde die Entstehung einer Pilgerstätte für Extremisten vermieden. Der KRM ist der Dachverband der vier wichtigsten Islamverbände in Deutschland.



Auch Islamische Organisationen in den USA reagieren mit Erleichterung auf die Tötung von El-Kaida-Chef Osama bin Laden. "Die Welt ist definitiv besser ohne den Patron aller Terroristen", sagte Imam Hassan Al-Qazwini, Leiter des Islamic Center of America in Dearborn im Bundesstaat Michigan, laut Zeitung "USA Today" (Onlineausgabe Montag). Qazwini nannte bin Laden "den berüchtigtsten Gangster der Welt". Es sei beruhigend, dass der Gerechtigkeit Genüge getan sei. Die Familien von Tausenden seiner Opfer jubelten über die Nachricht, so der Imam.



Auch der Rat für Amerikanisch-Islamische Beziehungen begrüßte die Todesnachricht. "Wir begrüßen das Ende Osama bin Ladens und der Bedrohung, die seine Führungsrolle als Terrorist für die Menschen weltweit darstellte", erklärte Dawud Walid, Leiter der Niederlassung des Rates in Michigan.



Andere Stimmen warnten vor einem voreiligen Triumph über islamischen Extremismus. Zwar sei der Schlag gegen die El-Kaida-Spitze "erfreulich"; man müsse aber wachsam bleiben, sagte ein leitender Imam des Amerikanisch-Arabischen Komitees gegen Diskriminierung. "Die Exekution des Symbols bin Laden löscht nicht die Ideologie aus", sagte der Geistliche laut "USA Today". Es wäre ein "entscheidender Fehler", sich nur auf die Person zu konzentrieren.