Hilfswerke befürchten massive Probleme für den Sudan

Ein Feiertag und noch mehr Flüchtlinge

Die Vorzeichen für die staatliche Unabhängigkeit des Südsudan sind nicht gerade rosig: Die Zugehörigkeit der Grenzgebiete ist unklar; im Südsudan existiert so gut wie keine Infrastruktur, und eine ehemalige Rebellenarmee übernimmt die politische Führung.

Autor/in:
Benedikt Angermeier
 (DR)

Nur die Straßen sind nicht mehr vermint - schon ein Fortschritt in dem durch Bürgerkriege zerstörten Land, sagt die Afrika-Expertin des katholischen Hilfswerks Misereor, Cora Laes-Fettback. Der Weg zum Frieden in dem ölreichen Land am Blauen Nil sei allerdings noch ungewiss. In vielen Teilen des Landes könnten Hilfsorganisationen gar nicht vordringen. Am Samstag werden die Menschen in der neuen südsudanesischen Hauptstadt Juba trotzdem trommeln, jubeln und tanzen. "Es ist ein Feiertag, auf den sich die Menschen seit etwa 50 Jahren freuen", meint Laes-Fettback.



Caritas International geht allerdings davon aus, dass die Zahl der Flüchtlinge demnächst steigen werde. Gerade aus der nordsudanesischen Hauptstadt Khartum erwartet das Hilfswerk einen regelrechten Zustrom. Dorthin seien seit 30 Jahren viele Südsudanesen geflohen. Immer wieder aufkeimende Konflikte zwischen Staatsarmee, Rebellengruppen und marodierenden Warlords ließen ihnen kaum eine andere Wahl. Willkommen seien sie aber auch in Khartum nicht gewesen: Nach dem Unabhängigkeits-Referendum im Januar reagierte die künftige nordsudanesische Regierung laut Caritas International mit der Zerstörung von Wohnhäusern der Südsudanesen und Vertreibung. Ähnliches erwarte das Hilfswerk nach der Unabhängigkeitserklärung am Samstag.



Vier Millionen Flüchtlinge

Im Sudan wird die Zahl der Flüchtlinge zurzeit bereits auf vier Millionen geschätzt. Daraus wachsen nach Meinung des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) massive Probleme. Landansprüche seien oft nicht geklärt. Auseinandersetzungen zwischen nomadisch lebenden und sesshaften Ethnien gehören zur Tagesordnung. Traditionelle Verständigungsmethoden über die Landnutzung existierten durch die Bürgerkriege nicht mehr - der Griff zum Gewehr hingegen sei Gewohnheit. Vor der großen Zahl an Waffen warnt auch Caritas International: Eine Voraussetzung für eine friedliche Zukunft sehe anders aus.



Aber auch die Tendenz des südsudanesischen Regimes, ebenfalls autoritär zu regieren, sieht Caritas International als besorgniserregend an. Der Ausschluss missliebiger politischer Stimmen, die Einschränkung der Meinungsfreiheit sowie die Machtanhäufung beim Präsidenten seien mehr als problematisch. Internationaler politischer Druck und nicht zuletzt UN-Truppen mit weitreichenden Optionen seien wichtige Voraussetzungen, für einen stabilen Sudan und die Arbeit der Hilfswerke.



Schulen der Salesianer als Vorbild

"Für den Aufbau einer funktionierenden staatlichen Infrastruktur sind bereits etablierte Hilfsprojekte eine wichtige Stütze", erklärt Misereor-Expertin Laes-Fettback. So gälten die Schulen der Salesianer als Vorbild für die Regierung. Viele südsudanesische Politiker seien selbst bei den Salesianern zur Schule gegangen; dies sei ein großer Vorteil für viele weitere Bereiche, betont die

Afrika-Expertin: "Wir wissen ziemlich genau, mit wem wir es zu tun haben. Man kennt sich."



Die Situation im Norden und in den Grenzregionen wird sich nach Meinung der Hilfswerke deutlich verschlechtern. So habe die dortige Regierung in Khartum angekündigt, nach der offiziellen Unabhängigkeitserklärung das Islamrecht, die Scharia, schärfer durchzusetzen. Dennoch warnt Laes-Fettback davor, die derzeitigen Konflikte als religiös zu bezeichnen. Dies sei nur ein Vorwand; eigentlich gehe es um die Verteilung der Öl-Ressourcen des Landes. Sie hofft, dass die Feiern am Samstag nicht Teil der Machtdemonstrationen von Nord und Süd werden.