US-Soldat André Shepherd ringt um politisches Asyl in Deutschland

Der unverdrossene Kämpfer

Als erster US-Soldat, der im Irak oder Afghanistan eingesetzt war, hat André Shepherd in Deutschland politisches Asyl beantragt - wegen Kriegsverbrechen der USA. Das heikle Begehren wurde in erster Instanz abgelehnt. Nun geht der Kampf weiter.

Autor/in:
Johannes Bentrup
 (DR)

Stimme des ehemaligen US-Soldaten wird brüchig: André Shepherd (34) spricht über tote Iraker, für die er vielleicht mitverantwortlich ist. Er redet über Familien, die nahezu ausgelöscht wurden. Er bedauert das unsägliche Leid, für das die USA im Irak verantwortlich sind. Früher war Shepherd selbst Rädchen der Militärmaschinerie im Irak. Sein Fall wird an diesem Freitag (22.07.2011) vor dem Verwaltungsgericht München verhandelt.



Shepherds Geschichte beginnt 2002: Der junge Mann studierte damals in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio, musste sich aber mit zahlreichen Nebenjobs über Wasser halten. Fast ein Jahr kampierte er im Auto. Als Lösung seiner Probleme sah er den Eintritt in die Armee an. Das US-Militär bildete ihn als Mechaniker aus. Schließlich wurde er 2004 für sechs Monate in den Irak verlegt, um Apaché-Hubschrauber "fit für den Einsatz zwölf Stunden am Tag" zu machen.



Nachdem Shepherd nach Ansbach in Bayern verlegt wurde, setzte er sich näher damit auseinander, was die US-Streitkräfte im Irak anrichteten und welche Rolle dabei die Apachés spielten. Zivilisten wurden bei den Lufteinsätzen in städtischen Gebieten getötet, Gräueltaten begangen, ist sich Shepherd sicher. Bevor er 2007 erneut in den Nahen Osten verlegt werden sollte, desertierte er.



Shepherd tauchte 19 Monate in Deutschland unter, 2009 beantragte er politisches Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMF) lehnte im April 2011 sein Gesuch ab. In der Begründung heißt es, es gebe keine Anhaltspunkte, dass er "bei einem erneuten Einsatz im Irak in Kriegsverbrechen oder andere Straftaten verwickelt werden könnte". Auch habe er keine konkreten Straftaten benennen können, die von seiner Einheit während seines ersten Einsatzes begangen worden seien.



"Der Einzige, der das sagen kann, ist der Befehlshaber"

Shepherd schluckt kurz, wenn er auf die Ablehnung angesprochen wird, legt dann aber rasant los: Diese Logik sei absurd, natürlich wisse kein gewöhnlicher Soldat, an welchen konkreten Luftangriffen er beteiligt sei und wie viele Menschen dabei ums Leben kamen, sagt der muskulöse Mann mit den kurz geschorenen Haaren. "Der Einzige, der das sagen kann, ist der Befehlshaber."



Für Shepherd ist die Ablehnung seines Asylantrags eine politische Entscheidung. Ein deutsches Gericht solle nicht urteilen, dass der US-Einsatz im Irak völkerrechtswidrig und mit Menschenrechtsverbrechen verbunden sei. Der 34-Jährige will dennoch weiterkämpfen und durch die Instanzen gehen.



Beim nun zuständigen Verwaltungsgericht München beantragt sein Anwalt Reinhard Marx, dass sich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg einschalten soll, um für Klärung in europarechtlichen Fragen zu sorgen. Strittig ist etwa, wie präzise Shepherd in seinem Asylgesuch darlegen muss, an welchen Taten er bei seinem zweiten Irakeinsatz wohl beteiligt worden wäre. Da die Materie juristisch äußerst kompliziert ist, können für die Prozesse noch mehrere Jahre ins Land ziehen, ist sich Anwalt Marx sicher.



Er hat eine Deutsche geheiratet

Shepherd will Klarheit, dass seine Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen rechtmäßig ist. Und er will ein Beispiel für andere Soldaten geben: "Sie müssen die Konsequenzen ihres Handelns verstehen", sagt er gerichtet an die US-Militärs. Jeder sei für seine Taten verantwortlich.



Shepherd wohnt mittlerweile am bayrischen Chiemsee, "in einem kleinen Tal mit einem lieblichen See und massiven Bergen in der Nähe". Er hat eine Deutsche geheiratet und damit einen recht sicheren Aufenthaltsstatus erhalten. Er darf arbeiten, für ein Unternehmen montiert er Solaranlagen auf Dächer. Manchmal hadert er mit seinem Schicksal: Er lacht dann etwas gequält und erzählt, dass er noch nicht wieder studieren kann, weil sein Schulabschluss bisher nicht anerkannt wurde. Das dafür nötige Original-Abschlusszeugnis ist im Besitz der US-Armee. Für sie ist Shepherd ein Fahnenflüchtiger, der vor Gericht gestellt werden muss.