Geißler warnt vor Absolutierung bestimmter Strömungen in der CDU

"Keine Volksausgabe bibeltreuer Christen"

Im Streit um die Ausrichtung der CDU hat Ex-Generalsekretär Heiner Geißler vor einer Verabsolutierung bestimmter Strömungen gewarnt und das christlich-demokratische Profil hervorgehoben. Die CDU sei weder eine "aufgeblasene FDP" noch eine "Volksausgabe bibeltreuer Christen".

 (DR)

Es sei ein "großer Irrtum" anzunehmen, die CDU sei eine konservative Partei, so Geißler der Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstag). Die Auseinandersetzung über die Ausrichtung der CDU soll nun auch den kommenden Parteitag in Leipzig beschäftigten. Das berichtete die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag) unter Berufung auf christdemokratische "Führungspolitiker". Der ehemalige Regierende CDU-Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, beklagte in der "Berliner Morgenpost", dass die Union die "gesellschaftliche Tendenz zur Beliebigkeit" im Augenblick stark widerspiegle. Es würde der Union helfen, sich an Grundsätzen zu orientieren und deren Einhaltung auch einzufordern. Unterdessen mahnte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) in der ARD, die Debatte um das Profil der Partei nicht öffentlich zu führen.



"Virtuelle und publizistische Debatte"

Geißler nannte die Richtungs-Diskussion mit Blick auf die Wirtschaftspolitik und den Konservatismus "ziemlich nebulös". Es handle sich um eine "virtuelle und publizistische Debatte". Den Vorwurf einer "Sozialdemokratisierung" wies er als "geschichtslos" zurück. Alle großen Sozialgesetze seien von der CDU und nicht von der SPD verabschiedet worden. Die CDU müsse sich weiterhin für die sozial Schwächeren und die einfachen Leute einsetzen.



Nach Ansicht Geißlers gehört das christliche Menschenbild zum "Markenkern" der CDU. "Sie ist keine Tory-Partei, keine aufgeblasene FDP, sie ist keine klerikale Partei mit christlichen Ajatollahs und keine Volksausgabe bibeltreuer Christen." Wer ständig eine der Grundrichtungen der Partei verabsolutiere, wie etwa den Wirtschaftsliberalismus, nehme der CDU die Chancen, eine Volkspartei über 40 Prozent zu sein. Nach Geißlers Auffassung verlangt das christliche Menschenbild als Grundlage der Politik heute "die Konzeption einer internationalen, sozialökologischen Marktwirtschaft".