An dem Donnerstag (22.09.2011) steht im Hippodrom der Gottesdienst für Schausteller und Marktleute auf dem Programm. Seit 1956 hält sich die Tradition. Veranstaltet wird er von der Katholischen Circus- und Schaustellerseelsorge. Das fahrende Volk soll nicht ohne Gottes Beistand durch die Lande ziehen.
Bei einem Gottesdienst im Bierzelt, noch dazu auf dem größten Volksfest der Welt, muss improvisiert werden. Der Altar besteht aus sechs Biertischen, darüber weinrote Tischdecken und an den Seiten üppiger Blumenschmuck. An den Wänden hängen keine Heiligenbilder, sondern Lebkuchenherzen und von der Decke baumeln Pferdefiguren. Es duftet nach Gebratenem und Sauerkraut. Dem Priester am Altar rät ein meterlanges Werbebanner auf der gegenüberliegenden Seite, zu den Erzeugnissen einer Münchner Großbrauerei zu greifen.
Draußen strömen die Menschen nicht in Scharen, sondern in kleinen Gruppen auf die Festwiese. Einige Stände sind noch geschlossen. Das Hippodrom hingegen ist mit seinen 4.800 Plätzen nahezu voll besetzt, als der Gottesdienst pünktlich um zehn Uhr beginnt. In diesem Jahr ist Erzbischof Agostino Marchetto aus Rom gekommen. Der frühere Sekretär des Päpstlichen Rates für die Migranten, der auch für die Circus- und Schaustellerseelsorge zuständig ist, wollte sich die Jubiläumswiesn nicht entgehen lassen.
Mit Schaustellerseelsorger Martin Fuchs und anderen Priestern feiert der Erzbischof die Messe. Er zeigt sich begeistert von der "stimmungsvollen Atmosphäre" und lobt die "Mission" der Schausteller, allen Besuchern Freude und Entspannung zu schenken. Immer wieder werden der Zusammenhalt unter den Schaustellern und deren anstrengender Arbeitsalltag gewürdigt.
"Lobet den Herrn" statt "Hey Baby"
Am Nachmittag ruft wieder das Geschäft. Bis dahin wird gefeiert, wenn auch nicht mit Blasmusik und schunkelnden Tischnachbarn. Wo andere sich sonst das Bier schmecken lassen und Gassenhauer schmettern, herrscht zumindest in diesen Stunden eine andächtige Atmosphäre. Statt "Fürstenfeld" oder "Hey Baby" singen die Gäste "Lobet den Herrn" und ein Marienlied.
Allein die Bedienungen laufen geschäftig durch die Außengänge des Zeltes. Sie warten ungeduldig auf den Beginn ihres Arbeitstages. Als der Erzbischof kurz vor dem Ende der Feier ein neues Banner des Deutschen Schaustellerbundes segnet, stapeln sie schon die Brezen und geben die Hendl vom Grill frisch auf die Teller. Pünktlich zum Schlussakkord der Bayernhymne werden die ersten Maßkrüge mit Bier verteilt.
Beim feierlichen Auszug der Geistlichkeit kehrt das Bierzelt zurück in seinen Normalzustand: Blumensträuße, Kerzenständer und Gebetsbücher werden schnell weggeräumt, Mikrophonständer abgebaut. Auch der Altar verwandelt sich zurück in sechs gewöhnliche Biertische mit Decken, Speisekarten und Salzstreuern. Die Reservierungsschilder stehen ebenfalls schon darauf. Für halb drei Uhr haben sich die nächsten Gäste angemeldet.
Seit 55 Jahren feiern die Schausteller beim Oktoberfest Gottesdienst
"Lobet den Herrn" statt "Hey Baby"
"O’zapft is!" In den kommenden zwei Wochen ist in München wieder Oktoberfest. Blasmusik, grölende Gäste und die dröhnende Musik der Fahrgeschäfte: Ein Ort der Besinnung findet sich auf dem Oktoberfest für gewöhnlich nicht. Nur am ersten Donnerstag der Wiesnzeit ist alles anders.
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