Der lange Konflikt um Liturgie und Lehre

Der Vatikan und die Traditionalisten

Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert die wichtigsten Stationen des seit Jahrzehnten andauernden Konflikts zwischen der Bruderschaft und Rom.

 (DR)

1962-1965: Das Zweite Vatikanische Konzil beschließt eine Modernisierung der katholischen Kirche. Eine konservative Minderheit lehnt die Reformen ab; sie kritisiert unter anderem die ökumenische Öffnung, die Erklärung zur Religionsfreiheit sowie Neuerungen in der Liturgie.

1969: Der Konzilsteilnehmer Erzbischof Marcel Lefebvre gründet in Fribourg/Schweiz die zunächst kirchlich anerkannte "Confraternitas Pius X". Die Lefebvrianer werfen der römisch-katholischen Kirche vor, mit dem Konzil und der in den folgenden Jahren in Kraft gesetzten Liturgiereform die Tradition der Kirche zerstört zu haben.

1975: Rom entzieht der Piusbruderschaft die kirchenrechtliche Legitimation. Im Jahr darauf enthebt Paul VI. Lefebvre seiner bischöflichen Rechte. Der suspendierte Erzbischof weiht weiter Priester.

1984: Papst Johannes Paul II. gestattet unter bestimmten Bedingungen die "tridentinische" Messe und kommt damit den Lefebvrianern entgegen.

1988: Kardinal Joseph Ratzinger handelt einen Kompromiss mit Lefebvre aus, den der Erzbischof kurz vor der Unterzeichnung wieder verwirft. Am 30. Juni weiht Lefebvre gegen päpstliches Verbot vier Priester zu Bischöfen. Dadurch zieht er sich und ihnen die Exkommunikation zu, die der Papst förmlich feststellt. Die Lefebvrianer betrachten die Exkommunikation als gegenstandslos und sehen sich weiter als Mitglieder der Kirche. Der Papst gründet die Kommission "Ecclesia Dei" für den Dialog mit den Traditionalisten. Einige traditionalistische Gruppen werden wieder in die katholische Kirche integriert.

1991: Tod Lefebvres (25. März). Sein Nachfolger als Generaloberer der Priesterbruderschaft wird der von ihm geweihte Schweizer Bischof Bernard Fellay. Er nimmt Gespräche mit "Ecclesia Dei" auf.

2000: Anfang August ziehen rund 5.000 Anhänger der Priesterbruderschaft unter Fellays Führung in den Petersdom und beten dort.

2005: Fellay begrüßt die Wahl Ratzingers zum Papst als "Hoffnungsschimmer". Ende August wird Fellay von Benedikt XVI. in Audienz empfangen. In dem Gespräch zeigte sich laut Vatikan der "Wunsch, zu einer vollkommenen Gemeinschaft zu gelangen".

Juli 2007: Benedikt XVI. erlaubt im Schreiben "Summorum pontificum", dass überall Messen nach dem Ritus von 1962 gefeiert werden dürfen. Dieser heißt nun "außerordentliche Form des römischen Ritus".

15. Dezember 2008: In einem Schreiben an "Ecclesia Dei" bittet Fellay im Namen der vier Bischöfe um die Rücknahme der Exkommunikation. Er sichert die Anerkennung des päpstlichen Primats und die Annahme der Lehren des Papstes zu.

21. Januar 2009: Per Dekret hebt die Bischofskongregation die Exkommunikation der vier Bischöfe Bernard Fellay, Alfonso de Gallareta, Bernard Tissier de Mallerais und Richard Williamson auf. Drei Tage später teilt der Vatikan die Rücknahme der Exkommunikation förmlich mit. Fast zeitgleich wird ein schwedisches TV-Interview bekannt, in dem Williamson die Existenz von Gaskammern verneint. Trotz Aufforderung aus Rom zieht er seine Aussagen nicht zurück.

10. März 2009: Benedikt XVI. schreibt an alle Bischöfe der Weltkirche. Darin räumt er handwerkliche Fehler der Kurie in der Williamson-Affäre ein; zugleich bekräftigt er seine Absicht, die Piusbruderschaft wieder in die katholische Kirche eingliedern zu wollen.

Juni 2009: Der Vatikan erklärt die Priesterweihen der Bruderschaft in einer Stellungnahme des Presseamtes für unerlaubt.

8. Juli 2009: Benedikt XVI. bindet die Kommission "Ecclesia Dei" eng an die Glaubenskongregation und lädt die Piusbruderschaft zu regelmäßigen Gesprächen über Lehrfragen nach Rom ein. Die Entscheidung über die Ergebnisse bleibt dem Papst vorbehalten.

26. Oktober 2009: Am Sitz der Glaubenskongregation in Rom beginnen die theologischen Gespräche in einer "respektvollen und konstruktiven Atmosphäre". Für den Heiligen Stuhl nehmen Vertreter der Glaubenskongregation sowie der Kommission "Ecclesia Dei" teil. Etwa zehn weitere Treffen folgen.

14. September 2011: Der Vatikan legt der Leitung der Piusbruderschaft eine "Lehrmäßige Erklärung" über grundlegende Glaubenslehren der katholischen Kirche zur Unterzeichnung vor. Falls die Bruderschaft zustimme, könnten Gespräche zu rechtlichen und strukturellen Fragen einer Integration aufgenommen werden.

16. März 2012: Rom weist die im Januar erfolgte Antwort der Piusbrüder als unzureichend zurück und räumt ihnen eine letzte Frist von einem Monat ein. Das Angebotene reiche "nicht aus, um die lehrmäßigen Probleme zu überwinden".

Mai/Juni 2012: Die römische Glaubenskongregation und der Papst prüfen die überarbeitete Antwort der Piusbruderschaft vom April. Mitte Juni übergibt der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal William Levada, Fellay eine Antwort des Vatikan, die der Generalsekretär der Bruderschaft später in einem internen Schreiben als "eindeutig inakzeptabel" qualifiziert.

29. Juni 2012: Der Generalobere erklärt im Mutterhaus der Piusbrüder, die Verhandlungen seien "an einem toten Punkt". Er beruft ein Generalkapitel ein. Es tagt vom 9. bis 14. Juli in Econe. Zum Abschluss bekräftigen die Delegierten ihre "tiefe Einheit" und kündigen eine Erklärung an Rom an.

16. Juli 2012: Zwei Tage nach dem Ende des Generalkapitels veröffentlicht die Bruderschaft zwar ein Interview mit ihrem Generaloberen Bernhard Fellay, doch auch hier äußert er sich nicht eindeutig zu ihrer Haltung gegenüber dem Vatikan. Zugleich kritisiert Fellay mit harschen Worten den neuen Präfekten der römischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller. Indirekt wirft er ihm vor, selbst Irrlehren zu verbreiten, während es doch eigentlich seine Aufgabe sei, den Glauben gegen Lehrirrtümer zu verteidigen.

19. Juli: Fünf Tage nach dem Ende des Generalkapitels zeigt sich die Leitung der Bruderschaft in einer Erklärung nicht zu einer Rückkehr in die römisch-katholische Kirche bereit. Über eine mögliche Einigung mit dem Vatikan müsse zuvor eine außerordentliche Versammlung der Bruderschaft beraten. In der Erklärung bekräftigten die Piusbrüder zudem ihre Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil. Zugleich heißt es, auf dem Generalkapitel seien die "notwendigen Bedingungen für eine mögliche Normalisierung der kirchenrechtlichen Stellung" beschlossen worden.