Erzbischof Schick kritisiert Urteil gegen Kloster Mor Gabriel

"Bedenkliches Signal an die christliche Minderheit"

Mit Sorgen blickt Erzbischof Schick auf die jüngste Niederlage für das Kloster Mor Gabriel vor dem Berufungsgerichtshof in Ankara. Das Urteil gebe ein "bedenkliches Signal an die christliche Minderheit". Mor Gabriel gilt als geistliches Zentrum für rund 3.000 syrisch-orthodoxe Christen im Südosten der Türkei.

Gegen Waffengeschäfte: Erzbischof Ludwig Schick (KNA)
Gegen Waffengeschäfte: Erzbischof Ludwig Schick / ( KNA )

"Noch mehr als zuvor fragen sich die Christen, ob sie in einem rechtlich verlässlichen Rahmen ihr kirchliches Leben führen können", sagte der Bamberger Erzbischof.



Im jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem 1.600 Jahre alten syrisch-orthodoxen Kloster Mor Gabriel und dem türkischen Schatzamt habe das Kassationsgericht in Ankara gegen das Kloster entschieden, berichtete Schick. Gegenstand des Verfahrens waren die Eigentumsrechte an Ländereien in der Umgebung des Klosters. Dabei geht es um die Existenzgrundlage des Klosters. Viele Experten hatten den Verlauf des Prozesses unter rechtstaatlichen Gesichtspunkten kritisiert.



Schick: Weg frei für Klage vor Straßburger Gericht

Mit der Beendigung des Prozesses für das Kloster sei allerdings der Weg frei für eine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, fügte Bischof Schick hinzu: "Das Kloster Mor Gabriel hat gute Chancen, dort sein Recht zu erstreiten." Insgesamt leben in der Türkei rund 100.000 Christen sämtlicher Konfessionen.



Die türkische Regierung habe in den zurückliegenden Jahren wiederholt deutlich gemacht, dass sie die Religionsfreiheit der Minderheiten respektieren will, betonte Schick. "Mit den Christen in der Türkei hoffe ich, dass dieser Weg auch nach dem neuen Urteil fortgesetzt wird und nicht christentumsfeindliche Kräfte die Oberhand gewinnen", unterstrich der katholische Bischof.



Vorwurf: politisch motiviertes Urteil

Die CDU-Politikerin Erika Steinbach hatte zuvor bereits kritisiert, die Niederlage für das Kloster sei ein Rückschlag für die gesamte syrisch-orthodoxe Gemeinschaft in der Türkei. "Es fragt sich, ob dieses Urteil nicht politisch motiviert sein könnte und sich bewusst gegen die christliche Minderheit in der Türkei richtet." Steinbach ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.



Der Türkeiexperte und Leiter der Fachstelle Menschenrechte beim katholischen Hilfswerk missio in Aachen, Otmar Oehring, sieht das Urteil mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite zeige es deutlich, dass "die Türkei kein Rechtsstaat ist", sagte Oehring. Auf der anderen Seite aber sei es erfreulich, dass "damit der Weg nach Straßburg offen ist". Bei einem "windelweichen und halbwegs positiven Urteil dagegen wäre die ganze Debatte wieder von vorne losgegangen", so der Türkeiexperte.



In dem Konflikt zwischen dem im Jahr 397 gegründeten Kloster und drei Dörfern der Umgebung geht es um rund 50 Hektar Klosterboden, die bei einer Landvermessung zur Erstellung von Grundbüchern nach EU-Vorgaben im Sommer 2008 strittig geworden waren. Sie werden inzwischen teilweise auch vom Finanzamt und von der Forstverwaltung beansprucht.



Was bislang geschah

Im Mai 2009 hatte das Kloster einen ersten Prozess um die Grenzziehung zwischen seinem Gelände und umliegenden Dörfern gewonnen. Wenige Wochen später wies ein Gericht in der Bezirksstadt Midyat die Klage des Finanzamtes gegen das Kloster zurück. Das Amt ging in Berufung. Ein weiterer Prozess um Ansprüche der Forstbehörde auf ein Waldgebiet des Klosters ging für das Kloster verloren - das nun ebenfalls in Berufung ging.



Der Oberste Gerichtshof in Ankara sprach schließlich im ersten Berufungsprozess im Januar einige Ländereien dem türkischen Staat zu. Bislang dürfte aber noch kein schriftliches Urteil ergangen sein. Als Folge der Entscheidungen der türkischen Behörden droht nun, dass die weitläufigen und hohen Mauern abgerissen werden müssen, die das Kloster zum Schutz vor Übergriffen, Landraub und Abweidung errichtet hat.



Bischof Timotheus wies darauf hin, dass das Kloster Urkunden aus den 1930er Jahren besitze, die eindeutig sein Eigentumsrecht belegten. Das habe auch das Gericht in Midyat anerkannt. Die Gegenseite habe hingegen nichts vorzuweisen. Trotzdem habe das Gericht in Ankara die Beweise des Klosters scheinbar nicht zur Kenntnis genommen. In der ganzen Angelegenheit gehe es nicht mehr um Recht und Unrecht, so der Bischof. Vielmehr habe die Causa einen politischen Hintergrund. Es gebe Kräfte, die die Christen aus dem Land drängen wollten.



Die Prozesse sorgen auch in Deutschland für Aufsehen; sie wurden von Politikern, von der Deutschen Bischofskonferenz und der evangelischen Kirche heftig kritisiert. Von der türkischen Politik wurde die Angelegenheit bislang freilich heruntergespielt. Der türkische Botschafter in Deutschland ließ den Bischöfen mitteilen, dass der Streit um die Klostergüter Sache der türkischen Justiz sei; das Rechtsverfahren müsse respektiert werden. Meldungen, wonach ein Großteil des Klosterbesitzes verstaatlicht werden solle, entsprächen nicht der Wahrheit.



Unbestimmt blieb auch Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, als er Anfang April in Ankara mit dem Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Ignatius Zakka I. Iwas, zusammentraf. Auch Bischof Timotheus war bei diesem Treffen dabei. Er zeigte sich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur "Kathpress" enttäuscht. Die Bemühungen der Kirchenleitung hätten keinerlei Erfolg gehabt.



Die Regierung werde tun, was sie könne, um das Problem im Sinne der syrisch-orthodoxen Gemeinde zu lösen, versprach Erdogan kryptisch laut einem Bericht der Zeitung "Hürriyet". Zunächst müsse man aber das Ende der gerichtlichen Auseinandersetzung abwarten. Der Bischof freilich mag dem nicht so recht trauen: "Wir wollen keine schönen Reden mehr, sondern Taten sehen."