Grundsätzlich wertet die Kirche jede Form der Ausübung von Waffengewalt als Übel. Die Gewalt durch Notwehr nimmt sie in Kauf, wenn sich dadurch ein noch größeres Unheil vermeiden lässt. Das gilt für Einzelpersonen wie auch für ein ganzes Volk, das sich gegen den Angriff eines anderen Volkes zur Wehr setzen muss.
Kriegshandlungen können nach der katholischen Friedenslehre zum "gerechten Krieg" werden, wenn bestimmte eng gefasste Bedingungen erfüllt sind. Der 1992 veröffentlichte Weltkatechismus hebt hervor, dass sich zuvor "alle anderen Mittel, dem Schaden ein Ende zu machen", als "undurchführbar oder wirkungslos" erwiesen haben müssen und "ernsthafte Aussicht auf Erfolg" besteht. Nach Ansicht der Kirche erfüllte so zum Beispiel der Angriff der US-Streitkräfte auf den Irak nicht die Bedingungen für einen "gerechten Krieg". Sowohl die katholische Kirche, als auch die Protestanten lehnten ihn deshalb strikt ab.
Gerechter Frieden statt gerechtem Krieg
2011 hatte dagegen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, Verständnis für den Militäreinsatz gegen Libyen gezeigt. Er könne die Gründe derer nachvollziehen, die sich für das militärische Eingreifen entschieden haben. Wenn die Truppen Gaddafis tatsächlich kurz davor gestanden hätten, ein Blutbad anzurichten, sei ein Militäreinsatz auf der Grundlage eines Mandates zum Schutz der Zivilbevölkerung grundsätzlich vertretbar.
Seit einigen Jahren wird der Begriff des "gerechten Krieges" nicht mehr verwendet, zu missverständlich war die Vorstellung eine gerechten, oder gar heiligen Krieges. Im Jahre 2000 wurde von den Deutschen Bischöfen stattdessen das Leitbild des "gerechten Friedens" ausgerufen. Im Zentrum der Überlegungen stand dabei einmal mehr die Gewaltvorbeugung statt des Gewaltmanagements.
Was bedeutet dies nun für ein militärisches Eingreifen in Syrien, zumal ohne ein UN-Mandat? Zu einem Zeitpunkt, wo Gewaltvorbeugung erwiesener Maßen gescheitert ist?
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann ist Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden). Hierbei handelt es sich um eine Art "Runder Tisch" der katholischen Einrichtungen und Organisationen, die im Bereich der internationalen Verantwortung der Kirche in Deutschland tätig sind. Justitia et Pax ist deren gemeinsame Stimme in Gesellschaft und Politik.
In dieser Eigenschaft hat Ackermann vor wenigen Tagen einen Vortrag im Forum Mainz der Deutschen Atlantischen Gesellschaft gehalten. Das Thema lautete passenderweise "Aktuelle Herausforderungen der Friedens- und Sicherheitspolitik in der Perspektive der katholischen Friedenslehre".
Kritik am Afghanistan-Einsatz
Ackermann kommt zunächst zu dem Schluss, es habe weder einen "gerechten" noch einen "heiligen" Krieg je gegeben. Massive Gewaltanwendung sei auch dann ein Übel, wenn sie im Dienste einer guten Sache steht. Aber es gebe Situationen, in denen die Anwendung von Gewalt das geringere Übel darstellt. Und weiter: "Die Herstellung und Sicherung einer menschenrechtsbasierten Ordnung wird ohne Androhung und bisweilen Ausübung von Gewalt nicht auskommen."
Die ethische Legitimierbarkeit von Militäreinsätzen hänge, so Ackermann, wesentlich von der konsequenten Einbindung von militärischen Mitteln in ein politisches Konzept ab, das auf nachhaltige Gewaltüberwindung zielt. Und weiter: "Ohne ein realistisches, an den Perspektiven des Gerechten Friedens ausgerichtetes Konzept sind Militäreinsätze ethisch nicht zu verantworten." Dies müsse in jedem einzelnen Fall geprüft werden. Den Afghanistan-Einsatz sieht der Bischof vor dem Hintergrund dieser Prämissen sehr kritisch. Sein Vorwurf an die Politik: Ein kontinuierlicher öffentlicher Diskurs sei vermieden worden, ein langfristiges Konzept nicht gegeben.
Prämissen in Syrien nicht erfüllt
Einen weiteren zentralen Punkt stelle die Legitimierung durch die Vereinten Nationen dar. Das Verhalten des Sicherheitsrates hinsichtlich Syrien nennt Ackermann ein "unwürdiges Schauspiel". Dennoch könne auf ein Mandat nicht verzichtet werden.
Zudem müsse ein Einsatz zielführend und verhältnismäßig sein. Eine begründete Erfolgsaussicht und eine gut gesicherte Informationslage seien unabdingbar.
Die Bedingungen, die der Bischof nennt, sind in der jetzigen Situation nicht erfüllt. Weder forcierte die deutsche Regierung in den vergangenen Monaten eine öffentliche Debatte zum Thema noch ist ein langfristiges Konzept gegeben. Eine begründete Erfolgsaussicht ist schwer zu erkennen, eine gesicherte Informationslage ist zumindest fraglich.
Ohne dass der Trierer Bischof auf Syrien noch konkreter eingegangen wäre, kann aus seinen prinzipiellen Ausführungen geschlossen werden, dass ein militärisches Eingreifen in Syrien derzeit ethisch nicht zu rechtfertigen ist. Dennoch sind die deutschen Bischöfe auch in solchen schwierigen Einschätzungen nicht immer einer Meinung. Der oben erwähnten Zustimmung Erzbischof Zollitschs zum damaligen Libyen-Einsatz setzt Ackermann entgegen: Eine konsequente Einbindung von militärischen Mitteln in ein politisches Konzept, das auf eine nachhaltige Gewaltüberwindung ziele, vermag er im Libyen-Fall nicht zu erkennen. Die Entwicklungen der letzten zwei Jahre scheinen ihm recht zu geben.