Die US-Präsidentschaftsbewerber und ihre Chancen bei Katholiken

Zwischen Obama und McCain

Nach rund 18 Monaten erbittertem US-Wahlkampf ist eines unverändert geblieben: der bange Blick auf die katholischen Wähler. Beide Präsidentschaftskandidaten haben sich intensiv um die rund 70 Millionen Katholiken im Land bemüht. Doch sowohl für den Demokraten Barack Obama als auch für den Republikaner John McCain bleibt ihr Erfolg beim einst einflussreichen "katholischen Block" auch kurz vor der Wahl eine Zitterpartie.

Autor/in:
Adrienne Woltersdorf
 (DR)

Längst ist das Meinungsbild bei den Katholiken nicht mehr einheitlich - ein Trend, der sich angesichts der aktuellen Finanzkrise und Rezessionsängste noch verschärfen wird, wie das «Pew Forum on Religion and Public Life» in mehreren Studien belegte. Dem unabhängigen Washingtoner Forschungsinstitut zufolge wählt zwar eine große Mehrheit der Katholiken traditionell demokratisch, da ihnen eine sozial eingestellte Regierung oder etwa migrantenfreundliche Gesetze wichtig sind. Doch ein beträchtlicher Teil dieser Gruppe sei noch unentschieden und gehörten damit zur Fraktion der wahlentscheidenden Wechselwähler.

Vorbehalte gegen schwarzen Kandidaten
Nach Ansicht vieler Experten liegt das auch an der Person des demokratischen Bewerbers Obama, dem ersten schwarzen Präsidentschaftskandidaten der US-Geschichte. Die weiße Arbeiterklasse, die zu großen Teilen katholisch ist, habe möglicherweise doch Vorbehalte gegen einen schwarzen Kandidaten. Wie stark Rassismus, verdeckt oder offen artikuliert, bei dieser Wahl aber tatsächlich zum Tragen kommen wird, darüber führen Experten und US-Kommentatoren seit Wochen erhitzte Debatten. Hinzu kommt, dass sich Obama als Befürworter von Abtreibung und einem Recht der Frauen auf freie Entscheidung positioniert hat: in den Augen der stark werteorientierten katholischen Wähler ein zusätzliches Handicap - zumal die Kirche des Landes dieses Thema in zahlreichen Aufrufen zu einer Schlüsselfrage erklärt hat.

Wenig zur Besänftigung der Gemüter trug Obamas Vizepräsidentschaftskandidat und erklärter Abtreibungsbefürworter Joe Biden bei. Kaum kündigte Obama den katholischen Senator des US-Bundesstaates Delaware als seinen «running mate» an, hielten Beobachter den Atem an. Konflikte mit der Kirche würden nicht lange auf sich warten lassen, befürchteten viele. Und prompt forderte der Erzbischof von Denver, Charles Chaput, Biden umgehend auf, auf einen Kommuniongang zu verzichten. Dieser zeigte sich wenig beeindruckt. Der Angriff auf ihn - und damit auch auf Obama - verpuffte relativ folgenlos.

Noch unentschiedene Lebensschützer - sowohl Katholiken als auch Protestanten und Evangelikale - könnten sich bei dieser Wahl zu John McCain und seiner Vizepräsidentschaftskandidaten Sarah Palin, eine Pfingstlerin, hingezogen fühlen. Beide haben sich in Fragen der Moral und der sozialen Politik eindeutig konservativ positioniert. Vor allem Sarah Palin, die in diesem Jahr ihr fünftes Kind trotz einer Down-Syndrom-Diagnose austrug, hat kräftig dazu beigetragen, die eher republikanisch orientierte Wertewähler für ihre Partei einzunehmen.

Trotzdem bleibt das McCain-Palin-Ticket für viele von ihnen mit einem Makel behaftet. Beide haben sich, anders als Obama, für den Irak-Krieg ausgesprochen und streben keine grundsätzliche Reform der Einwanderungsgesetzgebung und des maroden US-Gesundheitssystems an. Diese Themen brennen insbesondere Katholiken unter den Nägeln - aber auch der abstiegsbedrohten Mittelklasse. Die US-Finanzkrise und ihre weltweiten Folgen, das zeigen aktuelle Umfragen deutlich, haben die Prioritäten der Wähler neu geordnet, ungeachtet ihres Glaubens. Auf welcher Seite sie dabei moralische Werte und die Sorge um die Mitmenschlichkeit besser vertreten sehen, das wird der 4. November zeigen.