Kurienkardinal Walter Kasper zur Zypern-Reise des Papstes

"Die Beziehungen sind sehr gut"

Die Förderung des katholisch-orthodoxen Gesprächs ist nach Worten von Kurienkardinal Walter Kasper ein wesentliches Anliegen der bevorstehenden Zypern-Reise des Papstes. "Die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen liegen dem Papst sehr am Herzen.

Kardinal Kasper: Elf ereignisreiche Jahre "Ökumene-Minister" (KNA)
Kardinal Kasper: Elf ereignisreiche Jahre "Ökumene-Minister" / ( KNA )

KNA: Die Zypern-Reise ist der erste Besuch von Papst Benedikt XVI. in einem mehrheitlich orthodoxen Land. Ist das eine neue Etappe für das Pontifikat?
Kasper: Die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen liegen dem Papst sehr am Herzen. Er möchte sie fördern, ohne die Beziehungen zu den evangelischen Kirchen zu vernachlässigen. In dieser Hinsicht ist es ein ganz wichtiger Punkt, dass der Papst jetzt ein Land mit mehrheitlich orthodoxer Bevölkerung besucht. Jedoch geht es bei der Reise auch um die kommende Nahost-Synode. Beide Aspekte sind eng miteinander verbunden.

KNA: Wie sind die Beziehungen zur orthodoxen Kirche auf Zypern?
Kasper: Die Beziehungen sind sehr gut; es gibt auf Zypern keine Schwierigkeiten. Allerdings bilden die Katholiken - Lateiner und Maroniten - dort eine Minderheit. Ihre Zahl hat in letzter Zeit durch Zuwanderung zugenommen. Der neue orthodoxe Erzbischof Chrysostomos II. von Zypern hat einen seiner ersten Besuche hier in Rom gemacht und einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Auch bei meinen Visiten in Zypern habe ich immer ein sehr gutes Verhältnis zu ihm gefunden.

KNA: Aber nicht alle Bischöfe scheinen vom Papstbesuch begeistert. Es ist sogar von Boykott die Rede.
Kasper: Der Papst ist vom Präsidenten der Republik Zypern eingeladen worden, im Einverständnis mit der orthodoxen Kirche. Die orthodoxe Synode unter Leitung des Erzbischofs von Zypern hat einen Hirtenbrief erlassen, in dem der Papstbesuch begrüßt wird. Die große Mehrheit des zyprischen Episkopats steht dem Besuch positiv gegenüber. Dass zwei Bischöfe offenbar anderer Meinung sind, das ist ein innerzyprisches, ein innerorthodoxes Problem. Ton und Inhalt ihrer Äußerungen, soweit ich sie aus der Presse kenne, sind bedauerlich und abwegig.

KNA: Vor elf Jahren hat Papst Johannes Paul II. mit Rumänien erstmals ein Land mit orthodoxer Bevölkerungsmehrheit besucht. Wie hat sich seither die Ökumene verändert?
Kasper: Im Verhältnis zur Orthodoxie hat sie sich sehr zum Positiven verändert. Meine erste Begegnung hatte ich im Sommer 2000 bei der katholisch-orthodoxen Dialogrunde in Baltimore. Die Erfahrung gehörte mit zu den Schlimmsten, die ich ökumenisch je erlebt habe. Seither haben wir wieder sehr gute, ja freundschaftliche Beziehungen zum Patriarchat von Konstantinopel aufgebaut. Auch die Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche haben sich stark verbessert; es sind inzwischen normale, gute Beziehungen geworden. Auch die Kontakte zu den übrigen orthodoxen Kirchen, die ich in den vergangenen Jahren besucht habe, sind ordentlich. Sehr verbessert haben sie sich in letzter Zeit die Kontakte zur serbisch-orthodoxen Kirche. Der neue Patriarch Irinej hat den Papst sehr bald nach seiner Ernennung zu den Jubiläumsfeiern 2013 eingeladen. Grundsätzlich: Im Verhältnis zur Orthodoxie sind wir auf einem guten Weg.

KNA: Soeben war mit Metropolit Hilarion ein hoher Vertreter des Moskauer Patriarchates im Vatikan. Wie werten Sie die Visite?
Kasper: Der Besuch von Metropolit Hilarion bedeutete einen Schlussstrich unter das zum Teil schwierige Verhältnis mit dem Patriarchat von Moskau. Es ist mir in den vergangenen Jahren gelungen, hier Wesentliches zu verbessern. Den neuen Patriarchen Kyrill kenne ich seit gut zehn Jahren. Wir haben beide daran gearbeitet, die beiderseitigen Beziehungen zu verbessern. Die russisch-orthodoxe Kirche legt großen Wert auf eine Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche, vor allem was die Wiederentdeckung und die Betonung der christlichen Wurzeln Europas betrifft. Zu unserer Freude hat sich das Moskauer Patriarchat als dritte Partei gegen das Kruzifix-Urteil des Europäischen Gerichtshofes gewandt. In Russland selbst haben sich die Verhältnisse zwischen der orthodoxen Kirche und der relativ kleinen, aber bedeutenden katholischen Kirche sehr zum Besseren gewendet. Es bestehen praktisch keine grundlegenden Probleme mehr.

KNA: Die bevorstehende Nahost-Synode ist ein zentraler Akzent der Zypern-Reise. Welche Rolle wird die Ökumene bei dem Bischofstreffen im Oktober spielen?
Kasper: Die Kirchen im Nahen Osten haben alle die gleichen Probleme. Und diese können wir nur ökumenisch lösen. Natürlich bestehen innerchristliche Probleme; nach wie vor herrscht noch ein gewisses Konkurrenzdenken zwischen den Kirchen. Aber alle sind sich bewusst, dass sie auf die Zusammenarbeit der Kirchen angewiesen sind. Gravierender sind die Auswirkungen der politischen Situation, insbesondere die hohen Auswanderungszahlen von Christen. Es vollzieht sich geradezu eine christliche Entvölkerung des Nahen Ostens, die uns große Sorgen bereitet. Vor allem die jungen Leute sehen oft keine Zukunft mehr in ihrer Heimat. Wir müssen gemeinsam überlegen, was wir da tun können. Und natürlich geht es auch um den Friedensprozess im Nahen Osten. Aus diesen Gründen werden wir Vertreter aller Kirchen als Delegierte zur Synode einladen. Das hat bei den orthodoxen Kirchen bereits ein gutes Echo hervorgerufen.

KNA: Der zyprische Vatikanbotschafter hat die Hoffnung geäußert, der Papstbesuch möge zur Wiedervereinigung der geteilten Insel beitragen. Inwieweit ist das realistisch?
Kasper: Das kann ich schwer beurteilen. Auf jeden Fall wird der Papstbesuch dazu beitragen, das Problem der geteilten Insel wieder auf die Tagesordnung der Weltpolitik zu bringen. Gerade wir Deutsche und auch ein deutscher Papst sind hier sensibel. Wir haben lange Zeit in einem geteilten Land mit einer Mauer und einem Stacheldraht gelebt. So ist das auch in Zypern. Inwieweit der Papst selbst zu der Problematik Stellung nehmen wird, weiß ich nicht. Was uns natürlich sehr bedrückt, ist die Vernachlässigung des alten christlichen, religiösen Kulturguts in der Nordhälfte der Insel. Abgesehen vom kirchlichen Anliegen geht es dabei um ein Weltkulturerbe, das gerettet und erhalten werden sollte.

Das Gespräch führte Johannes Schidelko.