Bob Dylan und sein Glauben

Ein Mann mit vielen Masken

Die katholische Kirche hat es Bob Dylan angetan. Er trat vor einigen Jahren vor Papst Johannes Paul II. auf, und viele seiner Songs setzen auf eine biblische Sprache. Doch wie hält er es wirklich mit der Religion, dieser Dylan, der schon Shows inszenierte, die Erweckungsgottesdiensten glichen? Der "Gretchenfrage" widmete sich nun in München Knut Wenzel.

Autor/in:
Andreas Windpassinger
 (DR)

Der Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik an der Goethe-Universität Frankfurt am Main sprach am Freitagabend auf einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern zum Thema "Bob Dylan - Songpoet, Idol, Prophet!".



Für den Wissenschaftler steht fest: "Keine Religion bestimmt Dylan. Vielmehr verfügt er selbstbestimmt über seine Religiosität." Zwar stammt der Songpoet aus einer jüdischen Familie, doch über seine Gläubigkeit ließen sich aus den Texten keine Schlüsse ziehen. 70 Jahre alt wird Robert Allen Zimmerman, wie Dylan bürgerlich heißt, am 24. Mai. Ruhestand gibt es für ihn nicht. Mit seiner "Never Ending Tour" ist der Künstler seit langem weltweit kontinuierlich unterwegs.



Wenzel sieht in Dylan ein "autonomes Glaubenssubjekt", das sich keiner Religionsautorität unterwerfen wolle. Seine Musik nutzt er zum politischen Protest in der Bürgerbewegung und gegen den Krieg. Als Kind seiner Zeit probiert er alles aus, und entdeckt dabei auch das Christentum für sich. Ein Erweckungserlebnis? Da winkt der Theologe ab. Die Phase der Christlichkeit bei Dylan sei eine von vielen Maskierungen gewesen. Der Oscar-Preisträger sei zudem Star, Familienmensch, Streuner, Revoluzzer, Polit-Aktivist, Prediger und Pilger.



"Doch diese Masken hat er nicht zum Spaß aufgesetzt und keine von ihnen hat er abgelegt. Eine echte Identitätssuche steckt dahinter", erläutert Wenzel das Phänomen. Angefangen hatte der in Minnesota geborene Künstler mit der Folk-Musik. Sie ist die Sprache der Kleinen, Abgehängten, Ausgegrenzten und Ausgebeuteten, die in alltagsnahen Songs ihre Lebensschicksale, ihre Sehnsüchte und ihre Verluste verarbeiten. Dylan brachte seinen Freiheitsdrang darin zum Ausdruck. Nicht mehr abhängig sein von Autoritäten - egal welcher Art - war ihm wichtig.



Keine Kirche und kein Amt fänden irgendeine Resonanz als anerkannte Institutionen in den Liedern Dylans, resümiert der Theologe. "Nicht einmal der Heiligen Schrift wird je die Rolle einer exklusiven Bedeutungsquelle zugemessen." Was sich in den Liedern an Religiösem artikuliere, sei geprägt von den persönlichen Lebenserfahrungen der Menschen.



So ist und bleibt Bob Dylan also eine rätselhafte Gestalt. Seinen Glauben zu erforschen, ist schwierig. Doch Wenzel lässt keinen Zweifel daran, dass der Künstler seine Religiosität selbst bestimmt. Denn wer sich keiner Religionsautorität unterwerfe, könne sich im selben Moment selbst als religiös bestimmen. Dylan bedient sich ausschließlich einer Religionstradition, "ohne die Bedingungen, die von den Institutionen erlassen worden sind, anerkennen zu müssen", sagt der Theologe.



Deshalb sei Dylans Auftritt 1997 auf dem Eucharistischen Kongress in Bologna kein Bekenntnis zur römisch-katholischen Kirche gewesen.  Dort spielte vor den Augen des bereits von seiner Krankheit gezeichneten Papstes Johannes Paul II. sein berühmtes "Knockin" On Heaven"s Door". Als Unterwerfung unter eine Religionsautorität dürfe dieser Beitrag nicht gewertet werden, betont Wenzel.



Keine große Rolle spielt im Übrigen Dylans Glaube für die katholische Jugend. Der geht es allein um seine längst zu Evergreens gewordenen Songs, die bei keinem Lagerfeuer fehlen dürfen. Wenn die jungen Leute heute noch immer seinen Schlaggitarrenklassiker "Blowin" In The Wind" anstimmen, hat das nichts mehr mit Bürgerprotest zu tun. Dann ist Bob Dylan dem Katholiken-Nachwuchs, wie einst dem Papst, ganz nahe - egal, ob er sich mit der katholischen Kirche identifiziert oder nicht.