Österreichs Bischöfe analysieren Mitgliederschwund und Missbrauchsprävention

Krisentreffen in Südtirol

In Österreich haben 2010 so viele Menschen die Kirche verlassen wie nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Jetzt debattieren die Bischöfe bei ihrer Vollversammlung den Mitgliederschwund. Vor dem Treffen zeigte sich der Konferenzvorsitzende dennoch optimistisch. Es gebe "Hoffnungszeichen für einen Frühling in der Kirche", betonte der Wiender Kardinal Christoph Schönborn.

 (DR)

Für den Anstieg von Kirchenaustritten im vergangenen Jahr sei wesentlich der Missbrauchsskandal verantwortlich, sagte Schönborn zu Beginn der Tagung in Brixen. Die Bischöfe wollten darüber beraten, "wie es nach den zahlreichen Kirchenaustritten im vergangenen Jahr mit der Entwicklung der Kirche in unserem Land weitergehen wird", so Schönborn. In der aktuellen Krise würden zugleich die Bindekräfte der Kirche deutlich.

Mehr als 87.000 Kirchenaustritte

Laut der österreichischen Diözesen hat es im vergangenen Jahr 87.393 Kirchenaustritte gegeben; das sei der höchste Wert seit 1945. 2009 kehrten 53.269 Menschen der Kirche den Rücken.

Die Zahl der Katholiken in Österreich beläuft sich den Angaben zufolge auf 5,45 Millionen; das seien rund 1,4 Prozent weniger als 2009. Es handele sich allerdings um vorläufige Zahlen; sie könnten sich noch geringfügig ändern, da noch nicht aus jeder Diözese umfassende Zahlen vorlägen.

"Das Bewusstsein, auf Seiten der Opfer zu stehen"

Die österreichischen Bischöfe wollen auf ihrer Frühjahrsvollversammlung neben der Analyse über die Ursachen für den Gläubigenschwund erneut Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch prüfen. Der österreichische Episkopat werde sich in Brixen sehr intensiv mit den kirchlichen Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch auseinandersetzen und die Umsetzung der beschlossenen Richtlinien überprüfen. Im vergangenen Jahr sei sehr viel gewachsen an Verantwortung und "das Bewusstsein, auf Seiten der Opfer zu stehen". Es gebe klare Standards sowie das Bemühen um Wahrheit und Prävention. "Schon jetzt wage ich zu behaupten, dass die Kirche einen vorbildlichen Weg gegangen ist", meinte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, und wies auf die Vorbildwirkung für den staatlichen Bereich hin.



"Offene Debatte" strittiger Themen

Schönborn sprach sich für eine "offene Debatte" strittiger Themen innerhalb der Kirche aus. Das gelte auch für den Zölibat, für den es "gute Gründe" gebe, über die man reden solle.



Die Menschen müssten sich heute in einer pluralen und multireligiösen Gesellschaft bewusst entscheiden. Diese neue Freiheit sei auch positiv: "Das Christentum wird mehr zur Überzeugungssache, und wir wollen eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft sein", so der Kardinal.



Hoffnungszeichen: Engagement junger Menschen

Als Hoffnungszeichen bewertete er das Engagement vieler junger Menschen, mehr Nachdenklichkeit in der Zivilgesellschaft und ein gesteigertes Interesse an religiösen Themen. Vor diesem Hintergrund sei entscheidend, "die Glaubensfrage, die Gottesfrage wach zu halten und in die Mitte der Gesellschaft zu holen", sagte Schönborn.



Erstmals findet die Vollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz in Südtirol statt. Die Bischöfe tagen im Priesterseminar von Brixen. Sie folgen damit einer Einladung des Diözesanbischofs von Bozen-Brixen, Karl Golser. Unter dem Vorsitz von Kardinal Schönborn werden die Bischöfe bis Donnerstag beraten. Neuer Generalsekretär der Bischofskonferenz ist Peter Schipka. Er hat Anfang März sein Amt von Bischof Ägidius Zsifkovics übernommen und nimmt in Brixen erstmals als Generalsekretär an der Sitzung der Bischofskonferenz teil.  Am Freitagvormittag will Schönborn bei einer Pressekonferenz in Wien die Ergebnisse der Versammlung vorstellen.