Straßenblockaden mit brennenden Reifen, zerschlagene Autoscheiben, Hunderte Soldaten Auge in Auge mit teils bewaffneten und vermummten Demonstranten: Es waren Bilder, wie man sie seit Beginn des "Arabischen Frühlings" vor fast zwei Jahren häufiger aus der Region gesehen hat. Nur, dass die Reifen diesmal im libanesischen Beirut brannten.
Es war ein Racheakt, betrieben von einem mächtigen Familien-Clan: Bewaffnete libanesische Schiiten entführten am Mittwoch etliche Syrer, einen Türken und einen Saudi als Vergeltung für ein wenige Tage zuvor in Damaskus entführtes Clan-Mitglied. Die Angaben zur Zahl der Entführten variieren von 20 bis über 40. Diese sowie die Androhung weiterer Entführungen haben die Syrien-Krise bedrohlich nahe gebracht.
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar, als sunnitisch geprägte Länder auf der Seite der Assad-Gegner anzusiedeln, riefen ihre Bürger bereits zum sofortigen Verlassen des Libanon auf. Flugzeuge nach Beirut wurden wegen der angespannten Lage rund um den Flughafen umgeleitet. Die deutsche Botschaft verschärfte ihre Reisewarnungen.
Unterstützung für die Christen im Nahen Osten
Die libanesische Regierung versucht sich in Nichteinmischung - und handelt sich damit viel Kritik aus dem eigenen Volk ein. Der Staat sei abwesend, heißt es in libanesischen Medien, und auch wenn sich die Lage zu Beginn des islamischen Zuckerfestes wieder etwas entspannte: Das sensible Gleichgewicht im Land zu halten, wird für die Regierung in Beirut angesichts der Spaltung der Libanesen pro oder contra Assad zum Kraftakt.
Papst Benedikt XVI. wird bei seinem Libanon-Besuch mit brennenden sozialen und politischen Fragen der Region konfrontiert - und mit einem ins Wanken geratenen religiösen Gleichgewicht. Die durch Parteinahme für die verschiedenen religiösen und politischen Lager des Landes geschwächte christliche Minderheit verliert zunehmend politische Bedeutung.
Auch wenn der Vatikan vorerst an den Reiseplänen festhält: Im Libanon werden erste Befürchtungen laut, der gefährliche Einfluss der Syrien-Krise könnte den Besuch gefährden. So äußerte sich etwa der armenisch-katholische Patriarch Nerses Bedros XIX. Der Besuch Benedikts XVI. wäre der erste eines Papstes seit 15 Jahren. Libanesische Kirchenführer messen dem Ereignis im Vorfeld große Bedeutung bei. Die päpstliche Visite sei Unterstützung für die Christen des Nahen Ostens und eine klare Friedensbotschaft für eine Region im Umbruch.
Keine leichte Entscheidung
Libanons Christen sind unterdessen gespalten: Neben jenen, die grundsätzlich an einer Breitenwirkung des hohen Besuchs zweifeln, mehrt sich zuletzt die Zahl der Zweifler. Viele glauben nicht mehr an einen Besuch des Papstes. Und auch, wenn sich Kirchenvertreter wie unlängst der maronitische Patriarch Bechara Rai zuversichtlich über die Zukunft der Christen im Nahen Osten äußern - bei der christlichen Minderheit im Land wächst neben der Angst vor einem erneuten Bürgerkrieg auch die Sorge vor politischer Bedeutungslosigkeit. "Wenn der Papst nicht kommt, bedeutet das das Aus für die Christen im Libanon", fasst ein junger Katholik aus dem christlichen Norden des Landes die Unruhe für sich zusammen.
Im benachbarten Syrien sind die Auswirkungen der Krise für die Christen bereits deutlich zu spüren. Verfolgungen insbesondere durch bewaffnete Regierungsgegner gebe es bereits, sagte der oberste Franziskaner des Landes, Halim Noujeim, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Gefahr bei einem Sturz der Regierung wäre eine neue Form der Diktatur: "Und es gibt keine schlimmere Form der Diktatur als eine religiöse, insbesondere für eine christliche Minderheit, die in einer mehrheitlich muslimischen Gesellschaft lebt."
Bleibt die Situation im Libanon gespannt oder verschlechtert sich gar, wird die Entscheidung für den Vatikan nicht leicht. Denn eine kurzfristige Absage aus Sicherheitsgründen könnte die religiöse Kräfte-Balance im Land und damit die christliche Minderheit zusätzlich schwächen.
Im Libanon wächst die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg
Gefährlicher Balance-Akt
Der sich verschärfende Syrien-Konflikt droht damit auf das zerbrechliche Gefüge auf den Libanon überzuspringen. Angesichts der jüngsten Ereignisse wächst im Land der Zedern die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg. Erste Stimmen sehen auch die geplante Papstreise Mitte September gefährdet.
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