Die frühere Benediktinerabtei Fontevraud gehörte im Mittelalter zu den wichtigsten Klöstern des Abendlandes; sie ist bis heute ein europäischer Geschichtsort ersten Ranges. Ihr Besitz erstreckte sich weit über die Grenzen des heutigen Frankreich hinaus.
Oberhalb des Südufers der Loire bei Saumur gelegen, wurde es 1101 von dem Wanderprediger und Büßer Robert d'Arbrissel (um 1045-1116) gegründet, ursprünglich für seine Anhänger. Er legte ein Doppelkloster an, eines für Männer und eines für Frauen; dazu ein Haus für Aussätzige und Kranke (Lazarushaus) und eines für Sünderinnen und frühere Priesterfrauen (Magdalenenhaus).
Robert d'Abrissel verstand sich als "Magister" (Lehrer) der Gemeinschaft. Die Leitung übergab er den adligen Damen Hersendis als Priorin und Petronilla. Gegen Lebensende nahm er seine Tätigkeit als Wanderprediger wieder auf und gründete mehrere Priorate von Fontevraud.
Seine Gründung, ursprünglich eine "Abtei für Außenseiter", ging schon sehr bald einen kirchenrechtlich eingefriedeten Weg. Papst Calixtus II. persönlich weihte 1119 die Abteikirche. Fontevraud übernahm die Benediktinerregel und wurde vom englischen Königspaar Heinrich II. Plantagenet (1133-1189) und Eleonore von Aquitanien (um 1122-1204), die damals über England und ganz Westfrankreich herrschten, massiv gefördert.
Mehr als 5.000 Mitglieder gehörten dem Orden am Ende des 12. Jahrhunderts an. Mit zwölf Hektar Fläche wurde Fontevraud einer der größten Klosterkomplexe Europas. Adelige und Königstöchter lösten einander als Äbtissinnen ab. Königin Eleonore selbst lebte und starb in Fontevraud und ist neben ihrem Mann und ihrem Sohn König Richard I. Löwenherz in der Abteikirche beigesetzt.
Nach einer weiteren großen Blüte im 17. Jahrhundert wurde die Abtei im Zuge der Französischen Revolution aufgehoben. Von 1804 bis 1963 diente sie als Gefängnis. Nach Jahrzehnten der Restaurierung zieht der denkmalgeschützte Klosterkomplex mit integriertem Luxushotel heute mehrere hunderttausend Besucher jährlich an. (KNA, 10.03.2021)